Mittsommerzauber
trat an die offene Tür, sodass er sie sehen konnte. Er saß an dem kleinen Teetisch und trank mit ihrer Mutter Kaffee.
»Man kann gar nicht genug davon kriegen«, fuhr Robert anerkennend fort, Anna nicht aus den Augen lassend. Sie starrte ihn an, unfähig, sich von der Stelle zu bewegen.
Silvia, die mit dem Rücken zu Anna saß, schenkte ihm Kaffee nach. »Es tut mir wirklich Leid, dass Harald nicht abkömmlich ist«, sagte sie. »Ich würde sagen, dass Mikael Sie fährt.«
Anna räusperte sich. »Wohin?«, fragte sie in beiläufigem Tonfall, während sie in den Raum geschlendert kam.
Silvia drehte sich zu ihr um und betrachtete sie beifällig. »Du siehst zauberhaft aus, mein Kind! Dieses Kleid steht dir wunderbar! Ach, Herr Dahlström möchte sich unseren Waldbesitz ansehen. Da Harald nicht da ist, wird Mikael mit ihm morgen früh nach Märraberg hinauffahren.«
»Also, wenn es euch hilft, könnte ich Herrn Dahlström fahren. In der Apotheke ist im Moment nicht so viel los.« Anna platzte mit dem Vorschlag heraus, bevor sie sich großartig Gedanken darüber machen konnte, wie er aufgenommen würde.
Doch ihre Mutter schien erfreut über diese unerwartete Lösung zu sein, und was Robert betraf, so gab es nicht den geringsten Zweifel: Er war ganz offensichtlich so begeistert, dass er sein Grinsen kaum im Zaum halten konnte.
»Das ist eine gute Idee«, sagte Silvia. An Robert gewandt, fügte sie hinzu: »Anna kennt sich hervorragend dort aus. Sie ist früher oft mit ihrem Vater in den Wäldern gewesen.« Sie lächelte. »Er hat sie immer seine kleine Waldfee genannt.«
»Ich finde, dass dieser Name sehr gut passt«, sagte Robert, während er Anna in die Augen schaute.
Sie hatte plötzlich Mühe, zu atmen.
*
Es war schon fast Mitternacht, als Anna auf die Terrasse hinausging, um ihrer Mutter gute Nacht zu sagen. Silvia saß auf der Bank und hatte eine der kleinen Katzen auf dem Schoß, und bei diesem Anblick schoss Anna plötzlich der Gedanke durch den Kopf, dass ihre Mutter vielleicht einsam sein könnte. Silvia war seit dem Tod ihres Mannes nicht ausgegangen, es hatte auch sonst keine Bestrebungen gegeben, andere Männer kennen zu lernen, obwohl sie erst zweiundfünfzig war und viele Jahre jünger aussah.
»Sorgen, Mama?«, fragte Anna leise.
Silvia blickte auf und lächelte beim Anblick ihrer Tochter. »Wenn Robert Dahlström mein Angebot annimmt, werden sie nicht mehr so groß sein.«
Anna setzte sich neben ihre Mutter auf die Bank und legte den Arm um sie. »Ich wusste nicht, dass es solche Probleme mit dem Sägewerk gibt. Wieso habt ihr mir nichts davon gesagt?«
»Es reicht doch, wenn ich schlaflose Nächte habe. Und
Harald.« Silvia seufzte kurz. »Allerdings weiß ich nicht, ob er sich eingesteht, wie gefährdet die Firma wirklich ist...«
Anna erschrak. »Ist es so schlimm?«
Silvia nahm ihre Hand und drückte sie. »Nicht so, dass wir es nicht schaffen, wenn wir uns Mühe geben.«
»Ihr hättet mir das sagen müssen!«
»Du hast deine eigenen Probleme.«
»Du... Du denkst, dass ich Probleme habe?«, fragte Anna vorsichtig.
Silvia zog sie näher zu sich heran. »Du bist mein Kind, oder nicht? Ich kenne dich. Und ich merke, wenn etwas nicht stimmt. Warum sprichst du nicht mit mir darüber?«
»Vielleicht bin ich ja wie du und will dich nicht damit belasten«, wich Anna aus. »Nicht mit einer Sache, die sowieso nur ich lösen kann.«
»Und? Hast du eine Lösung gefunden? Bertil hat heute angedeutet, dass du Weggehen willst.«
Anna streckte die Hand aus und kraulte das Kätzchen, das sich schnurrend unter ihrer Berührung wand.
»Ich kann als Kinderanimateurin auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten.« Sie schwieg für einige Sekunden, dann fuhr sie fort: »Weißt du, das ist eigentlich ein Traumjob. Alles, was ich mir gewünscht habe. Ich sehe die Welt, ich arbeite mit Kindern, und ich bin die ganze Zeit an der frischen Luft.« Sie zuckte die Achseln. »Eigentlich optimal, oder?«
»Und uneigentlich?«
Anna stand auf und ging zum Ufer des kleinen Sees. Sie hob einen Stein auf und ließ ihn über die Wasseroberfläche tanzen. Eins, zählte sie stumm, zwei, drei... Nach der Sieben wandte sie sich wieder zu ihrer Mutter um. »Ich weiß es nicht«, sagte sie. »Ich weiß es wirklich nicht.«
»Vielleicht solltest du über alles noch einmal in Ruhe nachdenken.«
»Auf keinen Fall«, sagte Anna. »Ich habe im Moment den Eindruck, dass ich umso eher ins Schwimmen gerate, je länger Zeit ich
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