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Mittsommerzauber

Mittsommerzauber

Titel: Mittsommerzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Papierstücke durch die Luft segelten. »Ich deute diese Geste so, dass Sie mit der Wahl Ihrer Mutter nicht einverstanden sind.«
    »Darauf können Sie Ihren Hintern verwetten«, schrie Harald. Er hielt inne und versuchte, sich zu mäßigen, offenbar mit dem Ziel, seinen Triumph richtig auszukosten. Mit aufgesetzter Höflichkeit fuhr er fort: »Was meinen Sie, Herr Dahlström - wann dürfen wir wohl mit einer feindlichen Übernahme durch Hartwood Inc. rechnen?«
    Silvia war ebenfalls aufgestanden. Ihr Gesicht war blass. »Harald, ich verstehe nicht...«
    »Das alles ist ein Missverständnis«, sagte Robert. Doch gleichzeitig war ihm klar, dass es zu spät war. Er hätte die Karten früher auf den Tisch legen müssen. Er hatte ein Spiel gespielt und dabei geblufft, und jetzt, als er endlich angefangen hatte, ehrlich zu bieten, hatte er verloren.
    »Ja, Mama, das ist eine Überraschung, nicht wahr?« In Haralds Augen stand ein fanatisches Leuchten. »Oder sollte ich besser sagen: eine Enttäuschung? Auf jeden Fall ist Robert Dahlström nicht in eigenem Interesse hier. Er denkt überhaupt nicht daran, den Posten anzunehmen.« Harald bot das Bild eines Siegers. Die Daumen in seine Gürtelschlaufen gehakt und auf den Fußballen wippend, spulte er seine offensichtlich einstudierte kleine Rede vor seinem Feind und seiner Mutter ab.
    »Hartwood plant schon lange, seinen Fuß nach Europa zu setzen. In der letzten Zeit wurden einige Sägewerke in Finnland, Polen und Schweden überprüft.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Von Robert Dahlström! Und jetzt hat er uns ins Visier genommen.« Harald wandte sich seiner Mutter zu. »Er will hier nicht arbeiten, Mama. Er will uns schlucken. Für Hartwood.«
    Silvia ließ sich auf ihren Stuhl zurückfallen. Harald war fertig mit seiner Enthüllungsstory und ging zur Tür, kerzengerade aufgerichtet und ein selbstzufriedenes Grinsen auf den Lippen.
    Silvia wartete, bis er verschwunden war, dann straffte sie sich. »Sagen Sie mir, dass das nicht stimmt. Dass Hartwood keine Übernahme plant.«
    Robert hätte am liebsten geschrien, dass alles ein grässlicher Irrtum sei, dass seine Motive ganz andere waren. Doch das wäre nur die halbe Wahrheit gewesen.
    »Ich muss zugeben, dass ich anfangs im Auftrag von Hartwood hierher gekommen bin«, sagte er ruhig.
    Silvia stieß den angehaltenen Atem aus. »Ich verstehe.« Sie stand erneut auf, diesmal, um ihm die Tür zu weisen. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen...«
    »Ich verstehe Ihre Wut. Aber bitte lassen Sie mich alles erklären!«
    »Ihre Erklärungen interessieren mich nicht. Auf Wiedersehen, Herr Dahlström.«
    Es klang endgültig. Robert begriff, dass es keinen Zweck hatte, ihr seine Sicht der Dinge darzulegen. Seinen Sinneswandel, seine neuen Gedanken - das alles war ihr egal, und sie hatte Recht: Für jeden Außenstehenden würde es wie ein Lippenbekenntnis klingen.
    Er deutete eine Verbeugung an und verließ ihr Büro.

    *

    Anna stand im Lager und räumte Kisten aus, zum einen froh, dass sie hier für sich allein war und in Ruhe nachdenken konnte, zum anderen beklommen wegen der unausweichlichen Auseinandersetzung mit Bertil, der vorn im Ladenbereich die Kunden bediente und immer wieder zeitweilig im Büro verschwand, um dort Anrufe entgegenzunehmen.
    Ihre Unruhe wurde noch verstärkt durch die Bilder der letzten Nacht, die sich unauslöschlich in ihrer Erinnerung eingebrannt hatten. Robert füllte ihr Denken so nachhaltig aus, dass kaum noch etwas anderes Raum fand. Sosehr sie auch versuchte, sich auf den neuen Job einzustimmen und sich das spannende Leben auf dem Schiff auszumalen - ihre Vorstellungen blieben seltsam verschwommen. Dafür tauchte andauernd Roberts Gesicht in ihren Gedanken auf. Sie sah ihn vor sich, wie er mit ernster Miene über den Holzabbau in den kanadischen Wäldern dozierte oder wie er ganz plötzlich über eine ihrer Bemerkungen in Lachen ausbrechen konnte. Sie stellte ihn sich in allen möglichen Situationen vor, erlebten und fiktiven. Sie wusste, wie er aussah, wenn er wütend oder besorgt oder zärtlich war, und wie seine Stimme klang, wenn er traurig war. Wenn er schlief, sah er aus wie eine antike römische Götterstatue, ein stummer, in Träumen versunkener Apoll.
    Am ausgeprägtesten waren die Bilder, die ihn als Liebhaber zeigten, kraftvoll und dominant, dabei jedoch von einer Zärtlichkeit und Geduld, die sie am Ende, als sie in seinen Armen die

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