Mittsommerzauber
Lamm an zu zappeln und entwand sich ihrem Griff. Immerhin, die Flasche war fast leer, die Fütterungsaktion musste also geklappt haben.
Eva stellte die Flasche zur Seite, dann schaute sie auf und sah ihn in der offenen Stalltür stehen. Der Ausdruck, der dabei auf ihr Gesicht trat, ließ sein Herz schneller schlagen. Es gab nicht den geringsten Zweifel, dass sie sich über alle Maßen freute, ihn wiederzusehen. David hätte am liebsten einen Triumphschrei ausgestoßen. Sie freute sich!
Er eilte zu ihr, um ihr von dem Strohballen hochzuhelfen, doch sie hatte sich bereits aufgerappelt und klopfte sich die Halme vom Hosenboden. Ihr Gesicht wirkte erhitzt, als sie ihm die Hand gab.
»Hej«, sagte sie leise. »Da sind Sie ja wieder.«
»Ja. Da bin ich wieder.« Er ärgerte sich, dass ihm nichts Geistreicheres einfiel, doch sie schien sich nicht daran zu stören, im Gegenteil.
»Das ist schön«, sagte sie schlicht.
»Was führt Sie her?«, fragte er. »Ich meine, außer Lämmer zu füttern.«
»Vielleicht fange ich ja gerade an, mich hier richtig heimisch zu fühlen.« Leichte Röte stieg in ihre Wangen, als sie zu ihm aufblickte. David stellte fest, dass ihr Scheitel ihm kaum zum Kinn reichte. Sie war klein und zierlich, aber jeder Zoll von ihr war so begehrenswert, dass er kaum noch klar denken konnte.
»Das kann ich nachfühlen.« David schaute sie unverwandt an. »Es ist seltsam, aber plötzlich ist alles andere weit weg.«
Er merkte, wie etwas zwischen ihnen aufflackerte, beinahe wie elektrischer Strom, und es kam nicht nur von seiner Seite. Unwillkürlich trat er einen Schritt vor, sodass sie den Kopf noch weiter in den Nacken legen musste, um ihm ins Gesicht schauen zu können. Ihr Haar fiel nach hinten, und David sah, wie an ihrem Hals eine kleine Ader pochte.
*
Atemlos schaute Eva zu ihm auf, und um ein Haar hätte sie etwas Unvernünftiges getan. Zum Beispiel die Hand ausgestreckt und ihn berührt. Das Klingeln ihres Handys bewahrte sie im letzten Augenblick davor, sich wie eine dumme Gans zu benehmen. Hastig zerrte sie es aus ihrer Umhängetasche und sah Malins Namen auf dem Display.
»Hej«, meldete sie sich. »Was gibt es, Malin?«
»Britta ist im Krankenhaus. Sie hatte Wehen, also habe ich sie hingefahren.«
»Wann denn?«
»Heute früh um neun.«
Eva erstarrte. »Wie bitte? Warum erfahre ich das erst jetzt?«
»Einer musste sich ja um den Laden kümmern«, sagte
Malin lapidar. »Außerdem wollte Britta dich nicht beunruhigen. Sie meinte, beim ersten Kind dauert es meist sowieso ewig.«
Eva war wütend, ließ sich aber nichts anmerken. Nachdem sie die Verbindung getrennt hatte, wandte sie sich zu David um. »Tut mir Leid, ich muss ins Krankenhaus. Meine Freundin bekommt ihr Baby.«
»Kein Problem. Ich fahre Sie hin.«
Eva lächelte erleichtert. »Gute Idee. Mit dem Fahrrad dauert es wahrscheinlich ewig.«
Sie eilte hinaus zu seinem Wagen, doch dann merkte sie, dass er in eine andere Richtung ging. Er zeigte zur Anlegestelle. »Mit dem Boot geht es viel schneller!«
Er half ihr beim Einsteigen und startete den Motor. Als er sich über den Außenborder bückte, rutschte ihm ein kleines Buch aus der Hosentasche. Eva hob es auf und las den Titel. Schafzucht.
Belustigt drehte sie sich zu ihm um. »Ach, Sie also auch?«
David lachte, dann zog er ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus der anderen Hosentasche und klappte es auseinander. Eva sah, dass es einer ihrer Internetausdrucke war. Sie grinste ihn frech an. »Schafzucht, hm?«
Er nickte und ließ sie nicht aus den Augen, während er das Boot von der Anlegestelle weg hinaus auf den See lenkte. »Sieht aus, als hätten wir eine Menge gemeinsam.«
Da war es wieder. Eva konnte ihn nur noch anstarren und versuchen, dabei nicht die Fassung zu verlieren. Gab es das überhaupt, so einen machtvollen Sog zwischen zwei Menschen, die sich kaum kannten? Schließlich wich sie seinen Blicken aus und versuchte, an andere Dinge zu denken. Zum Beispiel daran, dass Britta gerade ihr Kind bekam und ihre beste Freundin nicht bei ihr war. Eva beschloss, Malin bei nächster Gelegenheit gehörig die Meinung zu sagen.
Im Hafen von Barkhult nahmen sie ein Taxi und fuhren das letzte Stück zum Krankenhaus. David übernahm das Bezahlen und meinte, sie solle ruhig schon reingehen, er werde in der Zwischenzeit Gustav besuchen. Eva bedankte sich und rannte durch die Gänge des Krankenhauses, bis sie den Kreißsaal gefunden hatte. Nach einigem Hin und Her ließ
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