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Mittsommerzauber

Mittsommerzauber

Titel: Mittsommerzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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Und nichts anderes spüren als den Wind und die Sonne und den herben Duft des Meeres.
    Er sah über die Schulter zu seiner Mutter, die neben Marita auf einem der dunkelblauen Liegestühle im Heck saß und auf die Insel sah, der sie sich nun schnell näherten. Er war froh, dass Viveca zwei Jahre nach dem plötzlichen Herztod seines Vaters Max nun endlich wieder besser aussah. Der Verlust ihres Mannes hatte sie tief getroffen, monatelang hatte es so ausgesehen, als würde sie sich nicht mehr davon erholen. Sven hatte sich große Sorgen um seine Mutter gemacht, hatte sich angesichts des tiefen Schmerzes, der sie zu zerbrechen drohte, hilflos gefühlt. Zeit seines Lebens hatte er seine Mutter als eine kraftvolle, lebensbejahende Frau wahrgenommen, die nicht nur für ihre Familie gelebt hatte, sondern auch vielseitigen Interessen nachgegangen war. Er erinnerte sich wehmütig an die Ausflüge, die sie mit ihm in die Museen Stockholms gemacht hatte, um ihn mit der Geschichte des Landes vertraut zu machen und ihn der bildenden Kunst nahe zu bringen. Sie hatte ihn in die Oper mitgenommen und den Grundstein für seine Liebe zur klassischen Musik gelegt, war aber auch, als er älter wurde, oft mit ihm in Rockkonzerte gegangen, auch wenn sie seine pubertäre Vorliebe für Metallica und Kurt Cobain nicht immer verstanden hatte. Sven seufzte leise auf. Es war eine glückliche Jugend, die ihm seine Mutter bereitet hatte. Umso mehr hatte es ihn getroffen, als sie nach dem Tod seines Vaters jeden Lebensmut und jedes Interesse an ihrer Umwelt verloren zu haben schien.
    Erst in letzter Zeit war ihm aufgefallen, dass sie aktiver am Leben teilnahm. Dass sie wieder mehr Zeitung las. Dass sie in die Kunstausstellungen ging, die Marita ihr empfahl. Und einmal hatte sie sogar im Lieblingssessel seines Vaters gesessen, als Sven nach Hause kam, und hatte eine Oper gehört. »La Bohème«, die Lieblingsoper seines Vaters, mit dem herzzerreißenden Schluss, wo Mimi in den Armen ihres Geliebten Rudolf stirbt. Ein paar Tränen waren ihr über die Wangen gekullert, doch dann hatte sie Sven angelächelt und leise gesagt, wie sehr sie die Musik in den letzten Monaten vermisst habe.
    Vivecas Finger kneteten unruhig eines der feinen Spitzentaschentücher, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Sie bemühte sich, ihre Anspannung vor Marita neben sich im Heck der Yacht zu verbergen. Versuchte, gleichmäßig und ruhig zu atmen. Und hoffte, damit ihr Herz, das wie ein Hammer in ihrer Brust schlug, beruhigen zu können... Wie lange war sie nicht mehr auf Rörstrand gewesen? Als jetzt in der Ferne der spitze Turm der St.-Anna-Kirche auftauchte und bald darauf die ersten roten Häuser des Ortes, hielt sie es nicht mehr auf ihrem Sitz. Sie stand auf, ihre Hände umklammerten die Reling. Da war es. Ihr Elternhaus. Ein kleines rotes Fischerhaus, direkt am Wasser, zu dem ein einfacher Holzsteg führte. Das Haus schien frisch gestrichen, Blumenkästen mit zartrosa Geranien standen auf den Fenstersimsen, in ein paar großen Tontöpfen vor der Haustür blühte dunkelvioletter Lavendel. Jetzt kam eine junge Frau aus dem Haus, ein Baby auf dem Arm. Ein kleiner Hund rannte ihr zwischen den Beinen herum. Viveca konnte den Blick nicht abwenden. Sie lächelte. Und wunderte sich selbst ein wenig über sich. Eigentlich hatte sie erwartet, dass sich ihr Herz zusammen-krampfen würde, wenn sie ihr kleines Elternhaus nach so langen Jahren Wiedersehen würde. Doch es war nichts in ihr als eine leise Wehmut, ein melancholisches Bewusstwerden darüber, wie lange es her war, dass sie dieses Haus zuletzt gesehen hatte. Sie hatte damals Rörstrand Knall auf Fall verlassen, und als ihre Eltern dann einige Jahre später gestorben waren, hatte sie das kleine Haus verkauft, ohne noch einmal dort gewesen zu sein. Und geglaubt, einen endgültigen Schlussstrich unter ihre Beziehung zu der Insel Rörstrand gesetzt zu haben. Zur Insel und allem, was sie mit ihrem früheren Leben verband.
    Svens Stimme riss Viveca aus ihren Gedanken. »Mama, wir legen gleich an.«
    Sie sah ihn an. Ihr wurde warm ums Herz. Wie früher hing ihm eine Strähne seines strohblonden Haares widerspenstig ins Gesicht. Wie oft hatte er sich über die Strähne beschwert! Er hatte sie abgeschnitten, mit Gel angeklebt, hatte versucht, sie in eine andere Richtung zu kämmen, doch es hatte alles nichts geholfen, und irgendwann hatte er sich damit abgefunden, dass sein an sich durch und durch seriöses Auftreten immer ein

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