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Mittsommerzauber

Mittsommerzauber

Titel: Mittsommerzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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trennte. Sie stieß das Gartentor auf und eilte auf das Hallentor zu. »Du lieber Himmel, was ist passiert?«
    Im nächsten Moment verstummte das durchdringende Geräusch, und Mikael Leifheit kam ins Freie. Der Vorarbeiter war hochrot im Gesicht, seine Lippen zu einer ärgerlichen Linie zusammengepresst.
    »Was war das?«, erkundigte sich Silvia besorgt.
    »Alles in Ordnung, Silvia. Die hintere Säge ist wieder heiß gelaufen. Ich hab sie stillgelegt.«
    »Mikael, das ist jetzt schon das zweite Mal in dieser Woche.«
    »Ich weiß. Ich kann es nicht ändern.«
    »Ich dachte, die Säge hätte einen neuen Motor bekommen.«
    »So war es geplant«, meinte Mikael knapp. Mehr sagte er nicht.
    Anna sah mit Bestürzung, dass die zierliche Gestalt ihrer Mutter um einige Zentimeter zu schrumpfen schien. Es war, als ob sie von einem Moment auf den nächsten einen großen Teil ihrer gewohnten Elastizität verlor. Anna wollte es nicht glauben, doch es gab keinen Zweifel: Ihre Mutter, die immer alles im Griff hatte, die immer wusste, was als Nächstes zu tun war - sie wirkte plötzlich mutlos.
    »Harald hat den Motor bestimmt schon bestellt«, sagte Mikael. In Annas Ohren klang diese Bemerkung nicht so, als würde er selbst daran glauben. Sie fragte sich besorgt, was hier im Gange war. Offensichtlich etwas, von dem sie nichts wusste.
    »Wo ist mein Sohn überhaupt?«, wollte Silvia wissen. »Hat ihn heute schon jemand gesehen?« Ihre Stimme hatte weder an Festigkeit gewonnen, sie schien den Moment der Schwäche halbwegs überwunden zu haben.
    Ihre Frage nach Harald wurde nicht beantwortet, bis auf ein stummes Kopfschütteln von Henner und Mikael, die sich gleich darauf wie auf ein geheimes Kommando hin in Bewegung setzten und wieder zurück an ihre Arbeit gingen.
    Silvia wandte sich zu ihrer Tochter um. »Anna. Hallo, Kind.« Sie neigte sich ihr entgegen und küsste sie auf die Wange. Anna atmete den tröstlichen Duft ein, der ihre Mutter seit jeher umschwebte wie ein feiner Schleier, eine sanfte Mischung aus Vanille und Holz, mit einem Unterton von Lavendel.
    »Hej, Mama. Ist alles in Ordnung?« Anna merkte, wie unsicher ihre Stimme klang. Der Vorfall von vorhin hatte sie beunruhigt, und sie setzte bereits an, ihre Mutter darauf anzusprechen. Doch Silvia schob das Kinn nach vorn und machte mit ihrer nächsten Bemerkung jeden Versuch Annas, die Sachlage auszuforschen, zunichte.
    »Es sind nur die üblichen Probleme. Kein Grund zur Beunruhigung.« Im nächsten Moment lächelte sie und sah keinen Tag älter aus als vierzig. »Sag mir, was du heute Abend essen willst.«
    »Heute Abend?« Anna runzelte die Stirn. »Oje. Es ist ja Dienstag. Hab ich beinahe vergessen. Und dabei hat Bertil vorhin noch davon gesprochen. Ich soll dir übrigens schöne Grüße von ihm ausrichten, er freut sich auf das Essen, wie immer.«
    Der Dienstag war der so genannte Familientag. Seit Urzeiten pflegten die Blomquists diese Tradition, und Silvia achtete streng darauf, dass alle sich daran hielten. Kein Mensch wusste, wieso es ausgerechnet der Dienstag sein musste, doch es hatte sich irgendwann noch zu Lebzeiten von Annas Vater so eingebürgert, und die Familie war seither dabei geblieben.
    »Wenn du einen speziellen Wunsch hast, sag es mir, ich gebe es gleich an Berta weiter. Sie freut sich immer, wenn sie dich verwöhnen kann.«
    »Wenn Berta kocht, schmeckt mir alles«, sagte Anna. »Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mir je etwas vorgesetzt hätte, was ich nicht gemocht habe.«
    Silvia musterte sie prüfend. »Du siehst aus, als würdest du in letzter Zeit ein bisschen wenig essen.«
    Anna unterdrückte ein Stöhnen. Jetzt fing ihre Mutter auch noch an!
    »Das macht der Sport«, sagte sie.
    »Bist du sicher, dass nicht etwas anderes...«
    »Mama, ich muss zurück in die Apotheke. Bertil wartet schon auf mich, er will heute Nachmittag die Halbjahresinventur vorbereiten. Du weißt schon, meine Lieblingsbeschäftigung.«
    Eine steile Falte auf der glatten Stirn ihrer Mutter zeigte Anna, dass Silvia sich nicht für dumm verkaufen ließ und sehr wohl merkte, dass Anna das Gespräch auf ziemlich unfeine Art abgewürgt hatte.
    Sie sprang hinters Steuer, bevor ihre Mutter auf die Idee kommen konnte, die Unterhaltung fortzusetzen. Ihr war klar, dass Silvia auf irgendeine Art den Braten gerochen hatte. Schließlich waren sie Mutter und Tochter. Das Band zwischen ihnen war sehr eng, und manchmal hatte Anna sogar das absurde Gefühl, Silvia könnte wissen, was

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