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Mittsommerzauber

Mittsommerzauber

Titel: Mittsommerzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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Zerknirschtheit, der kleine Junge, der mit den Fingern im Marmeladentopf erwischt wurde und auf die Gnade und das Verständnis der allzeit vergebungsbereiten Mutter hofft. Doch darauf konnte er diesmal vergeblich warten. In diesem Moment war Silvia heilfroh, dass sie endlich selbst den Mumm aufgebracht hatte, für vollendete Tatsachen zu sorgen.
    »Der gute Mikael hat mal wieder gepetzt, stimmt’s?« Haralds Stimme klang kleinlaut, doch Silvia kannte ihn gut genug, um den leicht aggressiven Unterton herauszuhören, der bei seiner nächsten Bemerkung dann auch offen zu Tage trat. »Der Kerl lässt doch keine Gelegenheit aus, mich schlecht zu machen!«
    »Wenn dich hier einer schlecht macht, bist du das selber«, versetzte sie scharf. »Was ist los mit dir, Harald? Du möchtest Geschäftsführer sein! Du trägst Verantwortung! Und was machst du daraus? Du lässt alles vor die Hunde gehen!« Ihre Stimme wurde drängend. »Harald, du musst dich endlich zusammennehmen!« Ein unausgesprochenes Sonst hing im Raum, doch Harald schien es nicht wahrzunehmen. Er packte Silvia kurzerhand und umarmte sie herzhaft.
    »Keine Panik, Mama, ich habe alles im Griff.«
    Silvia fühlte sich hin und her gerissen zwischen aufwallender Liebe und Widerwillen. Der Umstand, dass er roch, als hätte er in seiner Kleidung geschlafen, half ihr dabei, sich loszumachen und weiterhin ihren Standpunkt zu vertreten. »Du musst dich ändern, Harald. Es geht um die Firma. Ich werde nicht zulassen, dass du sie zu Grunde richtest.«
    Mit ihrer letzten Bemerkung schien sie seiner zur Schau getragenen Selbstzufriedenheit einen empfindlichen Dämpfer versetzt zu haben.
    Der Schreck in seinen Augen wirkte jedenfalls diesmal echt.
    »Das tu ich doch gar nicht, Mama!«
    »Nein, das tust du nicht. Denn ich werde es verhindern.«
    Harald bewegte sich unruhig. »Soll ich das als Drohung verstehen?«
    »Das musst du entscheiden.« Ihre Stimme wurde ein wenig sanfter, verlor aber nichts von ihrer Eindringlichkeit. »Schau, du weißt doch, wie sehr mir das Werk am Herzen liegt. Viele Menschen sind von uns abhängig! Seit Generationen führt die Familie Blomquist dieses Sägewerk! Ich muss einfach alles tun, um es zu erhalten!«
    Harald schaute sie an, als sei sie im Begriff, ihm sein Lieblingsspielzeug wegzunehmen. Silvia sagte nichts mehr, hielt seinen Blicken aber unverwandt stand. Schließlich nickte er einfach und ging still hinaus.
     
    *
     
    Als Anna auf die Terrasse kam, war Berta gerade mit Tischdecken fertig. Die rundliche Haushälterin wandte sich um und strahlte sie an.
    »Hej, Anna.«
    »Hej, Berta. Sag nicht, dass ich die Erste bin. Wo sind denn die anderen?«
    »Keine Ahnung, mein Kind. Ich weiß wirklich nicht, was heute los ist. Aber ich sage dir, in drei Minuten nehme ich das Lamm 8 aus dem Ofen. Ihr sagt immer alle, dass mein Lamm ein Gedicht ist. Also bestehe ich auch darauf, dass es auf den Tisch kommt, solange es noch schmeckt. Ich werde nicht zusehen, wie es austrocknet, nur weil deine Leute einfach nicht pünktlich sein können.« Berta verzog in gespielter Strenge das Gesicht. »Wo hast du deinen Verlobten gelassen?«
    »Der wird gleich hier sein. Er musste noch ein Medikament ausliefern.«
    Anna musterte beifällig die Tischdekoration. Berta hatte wie jeden Dienstagabend alle Geschütze aufgefahren, die der Haushalt zu bieten hatte. Die Tafel war gedeckt wie zu einem Galadinner, mit feinstem weißen Porzellan, Damastservietten und antiken Kristallgläsern. Das Silber sah aus, als wäre es heute erst auf Hochglanz poliert worden. Durch die offene Terrassentür sah Anna, dass Harald drinnen im Haus die Treppe herunterkam und durch die Halle stürmte. Als er merkte, dass sie ihn gesehen hatte, bremste er seine Schritte und kam hinaus auf die Terrasse. »Hej, Schwesterchen. Hej, Berta. Tut mir Leid, bin zum Essen heute nicht da.« Er versetzte Anna einen liebevollen brüderlichen Nasenstüber. »Siehst gut aus«, sagte er über die Schulter, schon wieder auf dem Weg ins Haus.
    »Was soll das, Harald?«, rief Anna ihm nach. »Du kannst doch nicht einfach so das Essen schwänzen!«
    Er drehte sich kurz zu ihr um. »Habe ich dir noch nie gesagt, wie sehr mir diese Familienessen auf den Geist gehen? Falls nicht, tue ich es hiermit. Ich hasse sie.«
    Mit diesen Worten verschwand er im Haus, um gleich darauf durch die Vordertür wieder nach draußen zu gehen. Wenige Augenblicke nach dem Zufallen der Haustür hörte Anna den Motor seines Wagens

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