Mittsommerzauber
Haus?«
Das Mädchen sah sie ungeduldig an.
»Komm, lass uns weiterfahren.«
Katarina lachte. »Es liegt ein wenig außerhalb, gleich neben der St.-Anna-Kirche. Ich hoffe, ich finde den Weg noch.«
Annicka lachte. »Wir finden uns in Stockholm mit seinen tausend Straßen zurecht, Mama, da werden wir doch noch Onkel Johans Haus finden.«
Sie stieg wieder ins Auto.
»Jetzt komm endlich, Mama. Ich will Tante Augusta kennen lernen.«
*
Es war für Katarina wie eine Fahrt zurück in die Kindheit. Sie fuhren langsam durch die engen Straßen, Annicka konnte kaum glauben, wie hübsch es hier war. Als sie den Ort hinter sich gelassen hatten, bogen sie in eine schmale Landstraße ein, die sich tatsächlich, wie Katarina erinnerte, unter hohen Kastanien hindurch einen sanften Hügel hinaufwand. Und dann müsste eigentlich die Abzweigung nach Tärna kommen, zu Onkel Johans kleinem Anwesen. Und tatsächlich, nach einer weiteren Kurve sah sie das verwitterte Holzschild, das nach links in eine kleine Straße wies. »Tärna« stand da in frisch gemalten weißen Buchstaben. Und darunter etwas kleiner »Landgasthof«.
Katarina bog in die kleine Straße, die etzt durch einen hellen Birkenwald führte. Und blieb dann plötzlich stehen.
Annicka sah fragend zu ihr hinüber.
»Was ist los, Mama? Hast du dich verfahren?«
Katarina schüttelte den Kopf. Sie sah aus dem Fenster.
»Es hat sich nichts verändert«, sagte sie ergriffen. Sie war berührt von der heiteren Schönheit des Bildes, das sich jetzt vor ihnen auftat, betört von der Tatsache, dass es hier tatsächlich noch so aussah, wie sie es in Erinnerung hatte.
Sie gab Gas und steuerte den Volvo auf das gelbe Haus zu, das neben einer geduckten kleinen Kirche wie ein Sonnenfleck in einem üppig blühenden Garten lag. Der mittlere Teil des Hauses war ein wenig höher als die Seitenteile, ein Balkon im ersten Stock wurde von einem mit reichen Schnitzereien versehenen Dächlein beschattet, an den Fenstern und vor der Haustür standen Blumen in bunten Töpfen. Rosen in verschiedenen Rottönen, prächtige Pfingstrosen in Rosa bis Pink, dazwischen Rittersporn und Schleierkraut, es war ein Garten wie von Carl Larsson gemalt. Eine dicke, schwarzgelbe Katze schlich durch die Blumenbeete, ein paar Enten begaben sich gerade, ernsthaft schnatternd, hinunter zum Wasser, in dessen dunkelblauem Schimmer sich ein paar dicke weiße Kumuluswolken spiegelten.
»Das ist es? Das ist Onkel Johans Haus?«
Annicka war begeistert.
»Das ist ja echt niedlich, Mama.«
Katarina nickte und parkte den Volvo. Sie stiegen beide gleichzeitig aus und sahen sich um. Katarina nahm Annickas Hand.
»Ja, das ist es.«
In diesem Moment wurde eine Tür geöffnet, und auf der großen Terrasse vor dem Haus, auf der vielleicht zwanzig Gartentische standen, an die die unbenutzten Stühle zusammengeklappt gelehnt waren, erschien eine ältere Frau, Augusta Vasen. Ein Lächeln ging über ihr schönes Gesicht, in dem große, himmelblaue Augen strahlten.
»Katarina. Da seid ihr ja endlich.«
Augusta hatte eine Porzellan-Platte in den Händen, auf der sich ein unglaublich verlockend aussehender, gestürzter Mandelpudding befand.
»Ich habe dein Auto gehört. Ich hatte schon befürchtet, dass du den Weg nach Tärna nicht mehr finden würdest.« Sie stellte den Pudding auf den einzigen Tisch auf der Terrasse, der mit einer blau geblümten Tischdecke und dazu passendem weißblauen Geschirr eingedeckt war.
Katarina lachte. Und umarmte die schmale Frau herzlich.
»Tante Augusta.«
Ihre Stimme wollte plötzlich nicht mehr so, wie sie es wollte. Sie räusperte sich.
»Es tut mir so Leid um Onkel Johan.«
»Ja, er war ein wunderbarer Mann. Wir hatten ein schönes Leben.«
Augusta drückte Katarina an sich. Einen Moment verharrten sie in der Erinnerung an Johan. Dann wandte sich Augusta lächelnd an Annicka.
»Und du musst Annicka sein. Johan hätte sich sehr gefreut, dich kennen zu lernen.«
»Hej, Tante Augusta.«
Augusta betrachtete das Mädchen und war überrascht über die Ähnlichkeit, die es mit der kleinen Katarina von damals hatte. Auch sie war lang aufgeschossen und feingliedrig. Ein schönes, ernstes Mädchen mit langen Beinen und grazilen Armen und großen, aufmerksamen Augen in dem durchsichtigen Gesicht.
»Herzlich willkommen, mein Mädchen. Ich hoffe, du wirst dich auf Tärna genauso wohl fühlen wie damals deine Mutter.«
Sie nahm Annicka spontan in die Arme, und das Mädchen
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