Mittsommerzauber
Fragen. Da war eine Hoffnung. Und da war genau diese Sehnsucht, die sie auch spürte.
Plötzlich war sie still. Und sah ihn nur an. Und er erwiderte ihren Blick. Und es war ihnen, als wären sie allein auf der Welt. Die Geräusche des Marktes verschwammen, die Menschen um sie herum tauchten ab in einen Nebel. Es gab nur Katarina und Sven.
»Sehen wir uns heute Abend?« Svens Stimme klang in seinen Ohren rau und unbeholfen. Er war froh, als Katarina nickte.
Ja, sie wollte ihn sehen.
»Sei um acht am Hafen.«
Wieder nickte sie nur. Und er beugte sich zu ihr, küsste sie ganz leicht auf die Wange.
»Ich freue mich auf dich«, sagte er leise. Und hoffte, dass er nicht klang wie ein unerfahrener Teenager. Denn genauso fühlte er sich.
Katarina nickte noch einmal.
»Ich mich auch«, antwortete sie. Und das war die Wahrheit. Sie freute sich wirklich darauf, ihn zu sehen. Und fragte sich, warum es noch nicht Abend war.
*
Viveca stand an einer Staffelei und malte. Zum ersten Mal seit Max’ Tod hatte sie wieder das Bedürfnis gehabt, ihrem Hobby nachzugehen. Sie war eine begabte Landschaftsmalerin. Ihr Ehrgeiz hatte immer darin bestanden, in ihren Aquarellen die unterschiedlichen Lichtstimmungen, die die schwedische Landschaft so einzigartig machten, einzufangen. Die Sonnenkringel, die auf den Moosböden unter den Birken tanzten, den flirrenden Tanz der Schilfhalme im Wind, den gleißenden Schimmer kurz vor einem Gewitter auf dem See. Versonnen ruhte ihr Blick auf dem Wasser vor ihr, in dem die nächste Insel im Schatten einer Wolke lag. Seit sie sich entschlossen hatte, Sven die Organisation ihres Festes zu überlassen, war sie ruhig geworden. Das Nervenflattern, das sie befallen hatte, als sie dieser Katarina Fredholm begegnet war, hatte aufgehört. Sie konnte ihre Gedanken schweifen lassen, sich ihren Erinnerungen hingeben.
Berit brachte ihr ein Tablett mit Tee und eine dieser runden gefüllten Schokoladenmakronen, die sie schon als Kind geliebt hatte, schenkte ihr ein und verschwand wieder. Viveca nahm einen Schluck Tee. Er war ein wenig zu bitter. Aber das störte sie nicht. Sie tat zwei Löffel Zucker dazu, einen mehr als gewöhnlich, und genoss die bittersüße Herbheit des Getränks. Bittersüß, war so nicht das Leben? Wie bitter war es für sie damals gewesen, von Rörstrand wegzugehen. Die Eltern zu verlassen, die Freunde. Ihre große Liebe. Und wie süß war die Freude gewesen, als sie Max getroffen hatte. Der sie in seine Arme genommen und ein Leben lang geliebt und beschützt hatte.
In einem Impuls nahm sie jetzt plötzlich das schnurlose Telefon und wählte ohne nachzudenken eine Nummer. Eine Nummer, von der sie glaubte, sie längst vergessen zu haben.
»Gasthaus Tärna. Augusta Vasen am Apparat.«
Viveca traf diese Stimme aus dem Telefon wie ein Schlag ins Gesicht. Hastig legte sie auf. Was hatte sie denn erwartet? Sie wusste doch, dass Augusta noch im Tärna war. Hatte sie nicht angerufen, um ihre Stimme zu hören? Wieso hatte sie aufgelegt? Wieso, um Himmels willen, konnte sie nicht einfach sagen, dass sie sie sehen wollte. Oder, dass sie ihr nicht verzeihen konnte. Oder... dass sie sie vermisste?
Viveca setzte sich in einen Sessel. Sie fühlte sich flau. Sie hatte ihr Leben doch immer im Griff gehabt. War Konflikten nicht ausgewichen, sondern hatte sie als Herausforderung verstanden. Wieso brachte sie Augustas Stimme immer noch so aus der Fassung?
»Geht es dir gut, Mama?«
Svens Stimme riss sie aus ihren Gedanken. »Du hast wieder angefangen zu malen? Das freut mich!«
Sven betrachtete die Vorskizze der Landschaft, die Viveca zu Papier gebracht hatte. Dieses Haus schien seiner Mutter wirklich gut zu tun, wenn sie sich sogar wieder an die Staffelei stellte.
»Ich wollte dir nur sagen, dass ich jemanden gefunden habe, der dein Fest ausrichten wird. Es gibt ein neues Lokal in Rörstrand, der Wirt heißt Petterson. Er hat einen hervorragenden Ruf. Ich bin sicher, er wird seine Sache gut machen.«
Ganz wohl fühlte Sven sich bei dieser Lüge nicht. Aber er sah keinen anderen Weg, sowohl Katarina als auch Viveca zufrieden zu stellen. Irgendwann, wenn er begriffen haben würde, was Viveca gegen Katarina hatte, würde er ihr die Wahrheit sagen. Spätestens am Tag des Festes würde er sowieso nicht mehr darum herumkommen.
»Petterson? Noch nie gehört!« Viveca beschloss, nicht weiter zu fragen. Sie wollte die Sache einfach Sven überlassen. Sie hatte andere Dinge im Kopf, die viel
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