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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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warst auf dieser sogenannten Esoterik-Messe, ohne mir etwas davon zu sagen.»
    «Warum hätte ich das denn machen sollen? Wärst du vielleicht gern mitgekommen?»
    «Vielleicht hätte ich das tatsächlich getan.»
    «Genau, hättest ja schon mal die Lage checken können für die Razzia der Seelenpolizei.»
    «Ich akzeptiere   …», es gelang Merrily, sich zu beherrschen. Wenn sie diese Diskussion am Abend zuvor gehabt hätten, wäre sich schon längst explodiert, «…   dass die meisten dieser selbsternannten New-Age-Jünger bei solchen Veranstaltungen   …», sie suchte nach Worten wie nach guten Äpfeln an einem schmierigen Marktstand, an dem es nur faule Früchte gab, «…   nette, harmlose   …»
    «…   durchgeknallte Idioten sind!»
    «Jane!»
    «Ich glaub es einfach nicht!» Jane sprang auf. «Irgendein vertrockneter alter Knacker schickt dir einen giftigen Brief, und du hebst ihn heimlich in deiner Handtasche auf und liest ihn ab und zu, um deine ach so gerechte und über alles erhabene Empörung anzuheizen   …»
    «Setz dich, Schatz.»
    «Nein! Ich hab mich sowieso schon gewundert, wie komisch du dich benimmst. Du hast richtig Angst. Du denkst nicht: Wie kommt dieser alte Schleimer dazu, so was über meine Tochter zuverbreiten. O nein, du hast Schiss, dass
Michael
etwas davon erfahren könnte und du aus der Seelenpolizei rausfliegst! Echt, du bist echt eine total jämmerliche Figur, Mutter.»
    «Jane   …» Merrily hielt sich mit einer Hand an der Chromstange des Aga-Herdes fest. «Würdest du dich bitte wieder hinsetzen? Dann könnten wir nämlich darüber reden wie   … Erwachsene?»
    «Du meinst, wie der Pfarrer mit dem Sünder. Das werde ich nicht tun, Merrily. Ich gehe rauf in meine Wohnung. Ich zünde ein paar Kerzen auf meinem Altar an und bete ein bisschen zu meiner Göttin. Und dann gehe ich. Ich weiß noch nicht, wann ich zurückkomme.»
    «Du zündest ein paar Kerzen an? Ich verstehe.»
    «Vielleicht vier. Man sagt, es ist noch viel effektiver», zischte Jane, «wenn man es in einem Pfarrhaus macht.»
    «Ach, wirklich?»
    Jane wandte sich ab und öffnete die Tür zur Eingangshalle.
    «Das sagt man also im
Pod’s
, ja?», fügte Merrily hinzu.
     
    Genau in diesem Moment läutete das Telefon in der Küche und eine Sekunde später auch im Spülküchen-Büro. Es klingelte ewig, aber Merrily wollte den Anruf nicht annehmen, weil sie wusste, dass Jane den Raum verlassen haben würde, bevor sie den Hörer in der Hand hätte.
    «Geh lieber dran. Es könnte ja Annie Howe sein», sagte Jane vor Wut zitternd. «Sie hat   … sie hat dir ja vermutlich schon alles beigebracht: wie man Leute ausspioniert, wie man ihnen heimlich folgt   … du verdammte neugierige Kuh.»
    «Jetzt reicht’s!» Merrily stieß sich vom Herd ab und stellte sich mitten in die Küche. «Du hältst dich für unheimlich cool und wahnsinnig schlau und glaubst, du könntest über dein Schicksal selber bestimmen. Was für ein Quatsch. Entweder bist du einesagenhafte Heuchlerin oder unglaublich naiv. Ist es dir vielleicht schon mal in den Sinn gekommen, dass der einzige Grund, aus dem sich diese kleine   … Sekte für dich interessiert, darin besteht, wer ich bin und was ich   …»
    «Ich! Ich, ich,
ich
!», kreischte Jane. «Du bist dermaßen überheblich. Und du bist so ekelhaft karrieregeil, dass du die Wahrheit nicht mehr siehst. Und die ist, dass kein Mensch sich einen Scheiß für deine Kirche oder diese Hampelmänner interessiert, die sich auf der Domfreiheit produzieren, ohne zu merken, dass sie sich total lächerlich machen. Die Gemeinden sind doch jetzt schon
der Lacher
. In zwanzig Jahren haltet ihr euch die Predigten nur noch gegenseitig ab. Ihr spielt
keine Rolle
mehr. Ihr spielt schon jahrelang keine Rolle mehr. Es ist mir
peinlich
, irgendwem zu erzählen, was du machst, weißt du das eigentlich? Ich könnte vor Scham im Boden versinken, also lass mich einfach in Ruhe!»
    Das Telefon verstummte. «So, jetzt verschwinde», sagte Merrily.
    «Gut.» Jane lächelte. «Könnte sein, dass ich länger weg bin.»
    «Wie du meinst. Du kannst ja gleich ein paar Tage zu Rowenna ziehen. In der Villa von Colonel Napier gibt es sicher jede Menge freie Zimmer.»
    Jane blieb in der Tür stehen. «Was soll das heißen?»
    «Nur, dass du eventuell nicht so viel über deine Busenfreundin weißt, wie du denkst.»
    «Ihr hast du also auch nachspioniert?»
    Jane schossen Tränen in die Augen, und Merrily ging einen

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