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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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sich, ihn nochmal zu spielen. Scheint in Ordnung zu sein, der Junge.» Er sah Dick an. «Er ist ein bisschen älter als James. Also hat er vielleicht die Arschloch-Phase schon hinter sich.»
    «Wenn man’s genau nimmt», sagte Dick, «ist es
mein
Fehler. Ruth und ich reden ziemlich viel über unsere Fälle, und James ist oft dabei, auch wenn man denkt, er bekommt nichts mit, weil er seinen Walkman aufhat. Wahrscheinlich hat sich das kleine Miststück hinterher Notizen gemacht. Es ist ja auch eine   … interessante Geschichte.»
    «Es ist eine Familientragödie», giftete Denny.
    «Denny, ich hab meine Lektion gelernt.»
    «Aber die Krähen – wie hat er, verflucht nochmal, von den Krähen erfahren?»
    «Die galten schon den alten Kelten als Unglücksboten», sagte Lol. Er hatte Denny nie von der Krähe erzählt.
    Denny wirkte einen Moment lang verwirrt, dann schüttelte er sich, als wolle er den Staub der Vergangenheit abschütteln, und ging von der Tür weg. «Also gut, ich lasse sie wieder rein, solange sich Lol um die Technik kümmert.»
    Dick sah Lol an.
    «Okay», sagte Lol. Er dachte noch darüber nach, was Denny eben genau gemeint hatte.
Wie hat er, verflucht nochmal, von den Krähen erfahren?
Und er fragte sich, wie James so verrückt sein konnte, Denny dieses Lied vorzusingen. Als ob er testen wollte, wie weit er gehen konnte, mit welcher Unverschämtheit er noch durchkommen würde, wie sehr er jemanden verletzen konnte.
    «Danke», sagte Dick. «Ich danke euch. Wisst ihr, ich   … Das klingt jetzt ein bisschen irre von einem Psychotherapeuten, aber ich bin eine Art
christlicher
Therapeut, und ich habe das Gefühl,dass es James helfen wird, wieder ein bisschen in die Spur zu finden, wenn er der Kinderbischof wird.»
    Als Dick gegangen war, sagte Denny: «Ich suche immer noch nach jemandem, den ich für Kathys Tod verantwortlich machen kann. Da kam er mir gerade recht.»
    Lol nickte.
    «Übrigens, ich mache den Laden zu», sagte Denny.
    «Ja, heute Nachmittag ist die Beerdigung.»
    «Nein, endgültig. Wir schließen heute Mittag und machen nicht mehr auf.»
    «Nie mehr?»
    «Ich bringe die Platten morgen in den anderen Laden rüber. Viv geht mit. In der Church Street   … Das war einfach Kathys Laden. Ich will hier nicht mehr arbeiten.»
    «Und die Wohnung?»
    «Die Sache betrifft dich erst, wenn ich alles abgewickelt habe. Dann verkaufe ich vielleicht das ganze Haus. Sorry, dass es dich trifft, Kumpel, aber im Leben ist nun mal nichts von Dauer. Und du bist doch sowieso nicht gerade der Typ für dauerhafte Sachen.»
    Lol zwang sich zu einem Lächeln.
    «Wir sehen uns dann im Krematorium», fügte Denny hinzu. «Wir machen hinterher keinen Leichenschmaus oder so. Wird sowieso kaum jemand kommen, und außerdem hasse ich diese verdammte Sitte.»
    «Denny», sagte Lol, «als du Dick gefragt hast, woher James das mit den Krähen weiß   … Was hast du damit gemeint?»
    «Lass lieber.» Denny öffnete die Tür. «Wie du gesagt hast, es war nichts, bloß ein Zufall. Manchmal bringt eben irgendwas eine Erinnerung hoch, und man konstruiert falsche Zusammenhänge.»
    «Was für eine Erinnerung?»
    «Du gibst auch nie Ruhe, oder, Lol?»
    «Nein, manche Dinge lassen mir keine Ruhe. Liegt vermutlich an den Schuldgefühlen.»
    «Du mochtest sie nicht besonders, oder?»
    «Am Ende mochte ich sie ein bisschen mehr.»
    «Du wolltest nicht mit ihr schlafen, weil du sie nicht mochtest, so ist es doch, oder?»
    «Weiß nicht.»
    «Das ist vermutlich ziemlich ehrenhaft.»
    «Nein, ist es nicht. Erzähl mir lieber von den Krähen.»
    Denny drückte die Tür wieder ins Schloss. «Als sie klein war, haben sie ihren Kinderwagen immer in den Hof gestellt, damit sie den Küken und so zusehen kann, okay? Und dann kamen die Krähen. Die Krähen flogen direkt zu ihr. Sie sind auf den Hof geflattert und zu ihrem Kinderwagen stolziert. Oder sie sind auf dem Dach gelandet und haben sich über die Hintertür gesetzt. Haben dagesessen wie die Aasgeier, wenn Kathy da war. Und zwar nur, wenn sie da war.»
    Lol steckte die Hände in die Hosentaschen. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken. «Und wie lange ging das so?»
    «Bis der Alte die Viecher abgeschossen hat.»
     
    «Erinnern Sie sich an Hilary Pyle?», fragte Barry Ambrose.
    «Nicht dass ich wüsste. Wer war sie?»
    «Er»
, sagte Barry. «Es hat in ein paar Zeitungen gestanden, aber die Presse kannte nicht die ganze Geschichte. Sogar ich wusste bis heute Morgen nicht,

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