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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Das Gemeinste war, dass Mom selber – kurz nachdem sie die Phase mit Lederhosen und selbstgemachten Tops aus Teichfolie hinter sich gebracht hatte – mit neunzehn schwanger geworden und in ihrem Alter vermutlich schon längst keine Jungfrau mehr gewesen war.
    Das Leben war wirklich ein einziger Scheiß.
    Als sie hinter dem
Tesco
an die Bushaltestelle krochen, hatte Jane keine Lust zum Aussteigen. Sie hatte zwar ihr Geld dabei, aber die Lust am Einkaufen war ihr vergangen. Vor allem, wenn sie dabei mit Rowenna in ihren ganzen Designerklamotten rumlaufen musste. Und überhaupt, was sollte sie Rowenna denn kaufen, was sie nicht beide in schreckliche Verlegenheit stürzen würde?
    Schließlich ging sie von der Bushaltestelle aus quer über den Parkplatz und hoffte, dass sie niemanden aus der Schule treffenwürde – was allerdings ziemlich wahrscheinlich war. An einem Samstagvormittag kurz vor Weihnachten ging
jeder
in Hereford einkaufen.
    Es war kalt, und sie hatte ihren Schal nicht dabei. Heute Abend würde der Nebel vermutlich
gefrieren
. Und was wäre, wenn ihr Rowenna kein Bett organisieren konnte? Dass sie einen Haufen Leute kannte, war natürlich eine Lüge gewesen. Sie kannte keine der Frauen aus dem
Pod’s
gut genug, um sie um eine Schlafgelegenheit zu bitten. Schlimmstenfalls musste sie im Shopping Center in einem Ladeneingang übernachten. Oder waren dort nachts die Eingänge vergittert? Und was war, wenn um zwei Uhr nachts irgend so ein Drogi ankam und sie vergewaltigen wollte?
    O.   k., wenn es nicht anders ging, reichte ihr Geld vermutlich für ein Hotelzimmer. Natürlich nicht für den
Green Dragon
, aber es gab ja noch ein paar einfachere Hotels, die mehr bei den Pubs lagen, in denen die Junkies anschreiben ließen. Komisch, wie reizlos das alte Hereford auf einmal erschien, wenn man allein war und vielleicht für immer allein bleiben würde.
    Sie ging weiter bis zum Ende des Parkplatzes, wo der Weg durch immergrünes Gebüsch zu dem Arkadengang und in die Widemarsh Street führte   … und dann lachte Rowenna auf und sagte: «Warum machen wir es nicht einfach hier? In dem Nebel sieht uns keiner. Das wäre echt cool.»
    Was?
    Jane blieb stehen. Die geparkten Autos standen dicht an dicht, und hinter ihnen zog sich eine kompakte Lorbeerhecke hin.
    Auf der anderen Seite der Hecke konnte man im Nebel gerade noch zwei aufrecht stehende Personen erkennen, die sich eng umschlungen hielten. Jane duckte sich. Sie hätte Rowenna bei dem Nebel nicht einmal aus dieser kurzen Entfernung erkannt, wenn sie nicht ihre Stimme gehört hätte. Der Typ war besser zu sehen,denn er war ziemlich groß. Er musste sich runterbeugen, um Rowenna wie wild abzuknutschen.
     
    «Glaubst du, ich war nicht entsetzt?» Dick Lyden fuhr sich durch sein dichtes graues Haar. «Ich versichere dir, dass so was nicht nochmal passiert   …»
    «Es
ist
verdammt nochmal schon passiert», knurrte Denny, der mit dem Rücken an der Eingangstür von Lols Wohnung lehnte, als könnte Dick versuchen zu flüchten. «Es ist passiert. Es existiert. Wenn ich den Text nicht zufällig gehört hätte – auf den ich normalerweise nicht achte   –, dann wäre
ich
derjenige gewesen, der das Ding produziert!»
    «Denny, tu mir das nicht an», bettelte Dick.
    «Ich soll
dir
irgendwas nicht antun?»
    Lol saß auf dem Fensterbrett. Er wollte sich nicht einmischen.
    «Wie alt ist
dein
Sohn eigentlich, Denny?»
    «Elfeinhalb.»
    «Es wäre schön, wenn dir so etwas nicht passiert, Denny, aber wenn sie größer werden, fragt man sich manchmal, was für ein Monster man da in die Welt gesetzt hat.»
    Lol merkte, dass Dick kurz davor war zu weinen, und sagte: «Hast du rausgefunden, wie er dazu gekommen ist, diesen Song zu schreiben?»
    «Ach, weißt du», Dick flüchtete sich dankbar in eine wütende Tirade, «ein Künstler   … ein
wahrer Künstler
holt sich seine Inspiration von überall her. Kunst ist über das Mitleid erhaben. Kunst kennt keine Tabus. Du kennst doch den Mist, den sie in diesem Alter von sich geben. Ich   … ich weiß wirklich nicht, was mit ihm los ist. Er hat sich zurückgezogen, er ist überheblich, er lästert nur noch, er lässt sich ständig irgendwelche kleinen Gemeinheiten einfallen. Er hat sich in ein komplettes Arschloch verwandelt.»
    Lol sagte: «So lautet also dein professionelles Urteil?» UndDenny lächelte endlich. «Und außerdem», fuhr Lol fort, «wird dieser Song nicht mehr auftauchen, weil Eirion Lewis sagt, er weigert

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