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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Fax schicken soll. Ich gehe nicht zurück.»
    «Das tust du verdammt nochmal doch, Jane.»
    «Du kannst mich nicht dazu zwingen, irgendwas zu tun, was ich nicht will.»
    Lol bog links in die Auffahrt des Krematoriums ein. «Da hast du recht.» Er seufzte. «Ich kann dir vermutlich nicht mal so weit vertrauen, dass du im Auto sitzen bleibst, solange ich dadrin bin.»
    Er sah wirklich unheimlich verzweifelt aus.
    «Doch, kannst du», sagte sie. «Sorry, Lol.»
     
    Denny hatte sich geirrt. Die moderne Krematoriumskapelle war mindestens halb voll. Entfernte Verwandte, erklärte er Lol, neugierige Idioten, die er kaum wiedererkannte, so lange hatte er sie nicht gesehen. Außerdem ein paar Archäologenfreunde von Moon aus Northumberland, wo sie ein paar Jahre gelebt hatte. Und Viv mit ihrem Lebensgefährten Gary. Und die Purefoys. Und Dick und Ruth Lyden.
    Und Moon natürlich. Moon war auch da.
    Denny hatte einen Pfarrer kommen lassen. «Auch wenn sie vermutlich lieber einen Druiden gehabt hätte», sagte er. Er trug seinen Ohrring nicht und wirkte dadurch irgendwie weniger freundlich, fast verbittert. Er sah aus, als würde er am liebsten jemanden schlagen. Seine Frau Maggie war auch gekommen, die Kinder hatten sie allerdings zu Hause gelassen. Maggie war groß, kurzhaarig und sorgfältig zurechtgemacht. Sie sprach mit den Verwandten, mit Denny jedoch kaum. Das Zusammenleben mit ihm war im Augenblick vermutlich ziemlich kompliziert.
    Der Pfarrer sagte ein paar wohlgesetzte Worte über Moon. Er beschrieb sie als hochintelligent und begeisterungsfähig und bezeichnete ihren Tod als tragischen Verlust, sowohl für ihren BruderDenny und seine Familie als auch für die archäologische Forschung.
    Denny murmelte etwas vor sich hin und starrte auf den Boden. Anna Purefoy schluchzte leise in ein Taschentuch. Sie sangen zwei Lieder, und Lol betrachtete währenddessen den teuren Eichensarg und stellte sich vor, wie Moon darin lag, ihre kräftigen Hände auf der Brust gefaltet. Um den Moment noch ein bisschen schmerzhafter zu machen, ließ er sie in seinem Kopf wiederholen:
«Ich möchte jetzt schlafen, Lol.»
    Und es tat wirklich weh, weil er wusste, dass es nicht zutraf. Sie konnte nicht schlafen. Er dachte an seinen Traum von Moon, die in der Capuchin Lane fast mit dem Nebel verschmolz, mit den beiden Schädeln, die sie in den Händen gehalten hatte wie die Krähe. Ein Traum   … genau wie die Träume, die sie von ihrem Vater gehabt hatte. Moon war nicht zu ihren Ahnen gegangen, sie wandelte im Schattenreich der Ruhelosen. Als sich die Vorhänge vor dem Sarg schlossen, standen Tränen in Lols Augen, weil er sie nicht hatte lieben und ihr nicht einmal hatte helfen können. Es war furchtbar.
    Und es war noch nicht vorbei.
    Draußen auf dem nebligen Parkplatz kam die schlanke, gutaussehende Anna Purefoy auf ihn zu.
    «Ich habe solche Schuldgefühle, Mr.   Robinson. Wir hätten ihr davon abraten sollen, die Scheune zu mieten. Wir hätten erkennen müssen, dass sie psychische Probleme hatte.»
    «Das ist manchmal gar nicht so leicht», sagte Lol.
    «Ich habe ein Jahr lang in einer Schule für Erwachsenenbildung gearbeitet. Ich habe bei den jungen Frauen von manischer Depression bis zu Psychosen nach Drogenmissbrauch alles gesehen. Ich hätte erkennen müssen, was mit ihr los war. Aber wir konnten nicht widerstehen, als sie sich für die Scheune interessierte – wir dachten, sie passt einfach perfekt.»
    «Ich glaube nicht, dass Sie eine Chance hatten, Moons Besessenheit zu durchschauen.» Lol wurde klar, dass sich für die Purefoys vielleicht noch größere Konsequenzen aus Moons Selbstmord ergeben würden als für Denny. Sie würden mit dieser Scheune leben müssen. «Was haben Sie jetzt mit dem Gebäude vor?»
    «Ich vermute, dass wir keinen Langzeitmieter finden werden. Wir müssen den Leuten ja von der Sache erzählen. Vielleicht versuchen wir, sie wieder als Ferienhaus zu vermieten. Ich weiß es noch nicht genau.»
    «Na dann, viel Glück», sagte Lol. Er fragte sich, ob er Merrily dazu bringen könnte, die Scheune zu segnen oder so was. Er sah den Purefoys nach, die zu ihrem Land Rover Discovery gingen. Ausgerechnet eine Krähe flog über seinen Kopf und landete auf dem Dach des Krematoriums, als warte sie darauf, dass Moons Geist mit dem Rauch aus dem Schornstein kam, damit sie ihn zurück auf den Dinedor Hill begleiten könnte.
    Allerdings war der Rauch bei dem ganzen Nebel kaum zu sehen, und der Weg zum Dinedor Hill

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