Mittwinternacht
weitermachen», erklärte Jane.
«Aber Sie haben mich trotzdem reingelegt.»
Merrily spürte die Wut wieder in sich aufsteigen. Vertrau auf Gott, aber niemals auf einen Pfarrer!
«Sie haben behauptet, Sie würden ihn kaum kennen.»
Huw hatte sich aus seinem Schal gewickelt, seine Wollmütze aber aufbehalten. Sie saßen sich an den schmalen Seiten von Sophies langem Schreibtisch gegenüber, der unter dem Fenster stand. Huw war kaum mehr als eine Silhouette mit einer Pudelmütze obendrauf.
«Ich
kenne
Dobbs ja auch kaum», sagte Huw, «und ich habe niemals versucht, Sie reinzulegen.»
Sie schüttelte den Kopf, zündete sich eine Zigarette an und starrte aus dem Fenster. Es war nach sechs Uhr, und der Verkehr nahm langsam ab.
«Ich will versuchen, es zu erklären», sagte Huw. «Jedenfalls so gut ich kann. Sie wollten nicht, dass ich Ihnen etwas davon erzähle, aber das lässt sich jetzt nicht mehr vermeiden, also können die mich mal.»
«Wer denn?»
«Die Kanoniker, das Domkapitel des Dekans – na ja, nicht offiziell natürlich. An dieser Sache ist
nichts
offiziell.»
«Wäre ich nie drauf gekommen.»
«Also, irgendwann sind bei mir zwei Typen aufgetaucht. Nein», Huw hob eine Hand – sie war nur ein Schattenriss, «fragen Sie nicht. Aber sie waren vertrauenswürdig.»
«Das hat Marcus Antonius auch mal gedacht.»
«Wirklich, Merrily! Es handelt sich hier
nicht
um eine Verschwörung. Diese Männer hatten Angst. Sie wussten nicht, hinter was Dobbs her war, aber sie wussten, dass da irgendetwas sein musste. Kann ich eine Zigarette haben?»
Sie schnippte ihm die Zigarettenschachtel hin. «Ich wusste nicht, dass Sie rauchen.»
«Sie wissen sowieso nicht das Geringste über mich – genau wie ich über Sie, wenn man es genau nimmt. Danke.» Er nahm sich eine Zigarette. «Also, wie stellen wir uns heute den Teufel vor?»
«Was?»
«Den Teufel, junge Frau.»
Merrily sagte: «Gespaltener Schwanz, Pferdehufe, kleine Hörner – vermeintlich harmlos. Und wir haben ihn erfunden, um den gehörnten heidnischen Gott Cernunnos in Verruf zu bringen. Das erzählt Jane mir jedenfalls ständig.»
«Kluges Kind.» Huw zündete sich die Zigarette an, und Merrily sah, wie seine wettergegerbten Züge von einem Lächeln erhellt wurden. «Wie seine Mutter.»
«Danke.»
Das Lächeln verschwand. «Also …» Er zog heftig an der Zigarette. «Was glauben
Sie
?»
«Dass es dunkle Mächte gibt, die ich das Böse nenne», sagte Merrily bestimmt.
Huw nickte. «So kann man es auch ausdrücken.»
Als er angekommen war, hatte sie ihm von der Projektion des Phantoms von Denzil Joy erzählt: wie sie es gemacht hatten und wie gut es funktioniert hatte. Sie hatte ihm auch von der Verbrennung der Messgewänder erzählt und davon, dass sie für Denzilsverstummte, missbrauchte Frau eine Abendmahlsfeier plante. Sie berichtete ihm davon, weil er wissen musste, dass sie sich von Denzil befreit hatte, dass sie wieder in der Lage war, mit diesen Dingen umzugehen.
Dann sprach Huw über das Böse in seiner dunkelsten, abstraktesten Form. Über die
Substanz
des Bösen. Dass man immer sagte, das heimtückischste Böse sei oft in nächster Nähe zum erhabensten Guten zu finden. Dass Satanisten in Kirchen vor allem eindrangen, um sie mit dem Bösen zu verseuchen.
«Und das erklärt St. Cosmas?»
«Ich weiß nicht. Ich habe mit Dobbs nicht darüber gesprochen, aber er hat es
gerochen
. Er wusste einfach, dass ich gerade von einem Exorzismus kam. Vermutlich hat er deswegen angefangen zu reden.»
«Ach», Merrily richtete sich auf, «also hat Dobbs mit Ihnen gesprochen.»
«Nur in Andeutungen, jedenfalls bis gestern Abend. Davor hat er versucht, mich einzuordnen. Verstehen Sie, er hat sich abgekapselt, sich eingeschlossen, sich in ein Vakuum zurückgezogen. Er wusste, dass er entweder draufgeht oder es schafft, sich wieder an die Arbeit zu machen. Ich habe gedacht, es wäre meine Pflicht, ihm den Raum zu geben, den er brauchte. Dafür zu sorgen, dass er nicht belästigt wurde – verstehen Sie, was ich damit sagen will?»
«Sie haben ihn mit einer Art magischem Kreis geschützt.»
«Einem
Schutzkreis
: die unsichtbare Kirche. Um Magie handelt es sich, wenn jemand seine Willenskraft einsetzt, um eine Veränderung der natürlichen Ordnung herbeizuführen.
Wir
bitten Gott darum, das zu tun, wenn Er es für richtig hält – und das ist ein kleiner Unterschied.»
«Wovor wollten Sie ihn denn schützen? Vor dem Teufel? Was war es,
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