Mittwinternacht
Rowenna in den Mund genommen hatte, was er in seiner schmierigen Hose hatte, war trotzdem reichlich ekelhaft; besonders, wenn man wusste, dass es stimmen konnte.
«Beruhige dich, Kleine.» Rowenna aß einen Burger mit einem Salat, über den sie Massen glibbriger Mayonnaise gegossen hatte –
würg
.
«Ich bin einfach total ausgerastet.» Das Problem mit Rowenna war, dass sie so unheimlich charmant sein konnte. Sie widmete einem ihre volle Aufmerksamkeit, und man freute sich wahnsinnig darüber, dass sie einen als Freundin wollte.
«Was hast du zu ihr gesagt?»
«Ich bin über die Kirche hergezogen und hab alles niedergemacht, was ihr etwas bedeutet. Hab ihr gesagt, sie wäre karrieregeil und überheblich – und dass ich meine Seele lieber dem Teufel verkaufen würde, als noch eine Nacht bei ihr im Haus zu verbringen.Ich schätze, das hat Angela nicht gemeint, als sie gesagt hat, dass ich Mom zur Erkenntnis führen könnte.»
Rowenna lachte. «Und du hast kein Wort davon so gemeint, wie du es gesagt hast, stimmt’s?»
«In dem Moment schon.» Jane schnitt sich den nächsten Bissen Pizza ab. «Sie hat auch gesagt,
wir
würden zu viel Zeit miteinander verbringen. Sie meinte, ich sollte lieber mit Jungs ausgehen, kannst du dir das vorstellen?»
«Das ist ungewöhnlich», sagte Rowenna. «Normalerweise haben sie einen Riesenhorror davor, dass man schwanger wird.»
«Außerdem … hatte ich schon genügend Beziehungen. Nur ist zurzeit kein Typ in Sicht, der mich interessiert.» Es fiel Jane auf, dass sie eigentlich nie über Männer sprachen.
«Die Auswahl ist allerdings sehr begrenzt.»
«Praktisch nicht vorhanden.»
«Stimmt.»
«Oder soll ich womöglich Wall und Gittoes mitzählen?»
«Sei bloß ruhig», sagte Rowenna. «Mir wird gleich schlecht.»
Sie grinste. Ihre Zähne wirkten so zart und durchscheinend wie die eines Babys.
Vielleicht war sie das gar nicht auf dem Parkplatz
, dachte Jane.
«Könnten wir uns vielleicht auch mal über was Lustigeres unterhalten?», fragte Rowenna.
«Ich muss immer noch an Angela und die Tarotkarten denken», sagte Jane. «Dir kamen die Karten, die sie für mich gezogen hat, ziemlich dramatisch vor, stimmt’s?»
«Kleine, es ist Ewigkeiten her, dass ich was mit Tarot gemacht habe. So was vergisst man schnell.»
«Das vergisst man bestimmt nicht. Das sind archetypische Bilder. Sie sind in dein Hirn eingebrannt.»
«Der Typ in der Jeansjacke da drüben findet dich anscheinend ganz toll, so wie der dich anstarrt.»
«Er starrt
dich
an. Er fragt sich nur noch, wie er mich aus dem Weg bekommt. Tod – das war die erste Karte.»
«Ja, aber die Todeskarte kann auch bedeuten, dass etwas zu Ende geht, bevor etwas Neues beginnen kann.»
«Der Turm?»
«In den der Blitz einschlägt. Außerdem gibt es einen Spalt in der Erde, in den Leute fallen. Das spricht für sich: Irgendeine richtig furchtbare Katastrophe, irgendwas wird auseinandergerissen.»
«Scheiße.»
«Oder es bedeutet einfach nur eine große Entrümpelungsaktion in deinem Leben; dass du dich von den Dingen befreist, die unwichtig geworden sind.»
«Also ungefähr: Wenn ich mich nicht davon befreie, gehe ich mit dem Turm unter?»
«Es könnte ja sein, dass der Turm in diesem Fall den Glauben deiner Mutter an diesen grausamen alttestamentarischen Gott bedeutet und du ihr helfen musst, ihn zu stürzen.»
«Vielleicht war ja das gemeint, was heute Morgen passiert ist. Alles war in bester Ordnung. Ich wollte gerade aus dem Haus gehen.
Sie
hatte endlich mal eine Nacht durchgeschlafen und sah viel besser aus. Und dann, ohne Vorwarnung, sind wir plötzlich mitten im schlimmsten Streit seit … Urzeiten. Es kam wie aus dem Nichts – wie der Turm, der auf einmal vom Blitz getroffen wird. Und dann sage ich diese Sache über den Teufel. Es ist mir einfach so rausgerutscht. Ich hab nicht darüber nachgedacht. Und das … war die
dritte
Karte.»
«Reg dich nicht auf.» Rowenna legte ihr Besteck nieder. «Der Teufel bedeutet auch nicht immer etwas Negatives. Der Teufel ist eine Erfindung der Christen, um alle verdammen zu können, die sich ein bisschen Kritik erlauben. In Wahrheit ist der Teufel sogar notwendig, damit die Welt im Gleichgewicht bleibt.»
«Glaubst du wirklich?»
«Du wohnst mit einer Pfarrerin zusammen, also wirst du jeden Tag mit Propaganda zugeknallt. Aber wenn du die Sache mal mit ein bisschen Abstand betrachtest, wirst du erkennen, dass der Teufel einfach nur das repräsentiert, was du
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