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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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informieren – was allerdings, sofern ich oder jemand anders es herausfindet, ganz bestimmt ein Grund für eineEntlassung wäre. Allerdings glaube ich nicht, dass Sie das tun werden, denn Sie glauben in Wahrheit doch genauso wenig an diesen Blödsinn wie ich. Oder, Merrily?»
    «Ich weiß nicht.» Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. «Ich weiß nicht.»
    Mick stand auf und zog sie auf die Füße. «Schlafen Sie ein bisschen, ja? Sie haben eine schwierige Woche hinter sich.»
    «Ich weiß nicht», wiederholte Merrily. «Wie könnte ich es genau wissen?»
    «Natürlich wissen Sie es nicht genau.» Er legte ihr den Arm um die Schultern und sah sie an, als spräche er zu einem Kind. «Das kalkulieren sie doch mit ein, Merrily, verstehen Sie? So, und wenn ich jetzt nicht zurückgehe und diesen grässlichen Stadträten ein bisschen Honig um den Bart schmiere, wird Val sehr   … ungehalten sein.»
    An der Tür suchte sie den Blick seiner berühmten blauen Augen.
    «Werden Sie wenigstens noch einmal über die Sache nachdenken?»
    «Ich habe diese Sache schon vergessen, Merrily», sagte er. «Gute Nacht.»
     
    Der Nebel schien sich ein bisschen zu lichten, doch das Gras war steif gefroren. Sie überquerte den Vorplatz und ging in die Church Street. Die Tür in der Seitengasse neben dem Laden namens John Barleycorn war offen, als sie ankam.
    «Hi.»
    «Hallo, Spatz.»
    Jane stand ohne Mantel in der Gasse, das dunkle Haar hinter die Ohren geschoben. Sie zitterte ein bisschen.
    «Ich habe gelogen.»
    Sie waren ungefähr eine Armeslänge voneinander entfernt. Merrily dachte:
Wir lügen alle. Und vor allem belügen wir uns selbst
.
    «Ich habe überhaupt keinen anderen Platz zum Schlafen», sagte Jane. «Und ich kenne in Wahrheit gar nicht viele Leute. Ich   … kenne nicht mal die Leute, von denen ich geglaubt habe, ich würde sie kennen. Also   … irgendwie   … sind meine einzigen echten Freunde Lol und du. Ich   … ich hoffe   …» Sie begann zu weinen. «Es tut mir leid, Mom. Es tut mir wirklich, wirklich leid.»
    Merrilys Augen wurden feucht.
    «Ich glaube, es gibt unheimlich viel», schniefte Jane, «was ich gemacht habe, ohne mir klar zu sein, was ich da eigentlich tue. Ich hab dich die ganze Zeit, in der ich dieses Zeug gemacht habe   … für dumm verkauft. Und ich habe dieser Schlampe alles erzählt. Ich habe
alles
mit ihr besprochen. Und als ich gesagt habe, dass ich meine Seele   …»
    «Das hast du nicht», sagte Merrily nachdrücklich. «Ich habe dich überhaupt nichts sagen hören, Spatz.»
    Als sie sich auf dem vereisten Kopfsteinpflaster in die Arme fielen, dachte Merrily:
Das ist alles, was zählt, oder? Das ist alles, was es gibt
.

46
Priester umdrehen
    Sie sah aus wie ein ältliches Galago-Äffchen in einem knöchellangen dunkelbraunen Mohairgebilde. Sie erwartete ihn im Salon – alle anderen Bewohnerinnen von
The Glades
waren in der Kirche, um, wie sie es ausdrückte, «mit Gott über ihr Leben nach dem Tod zu verhandeln». Sie wollte nichts über ihn wissen.
    «Das ist in meinem Alter reine Zeitverschwendung, Robinson; beim Mittagessen hätte ich das schon längst wieder vergessen.»
    Das glaubte Lol ganz und gar nicht. Die Augen hinter ihren runden Brillengläsern blitzten vor Munterkeit.
    «Wie dem auch sei», sagte sie, «ich bilde mir meine Meinung lieber selbst.» Sie musterte ihn aufmerksam. «Oh, was für ein verwirrter Junge du bist. Und außerdem vollkommen blockiert. Dein Leben wird von einer inneren Blockade beherrscht. Ich könnte mich näher damit befassen, aber dafür hast du keine Zeit, stimmt’s? Jedenfalls heute nicht. Du hast es
schrecklich
eilig.»
    Lol nickte verwirrt.
    «Immer langsam», sagte sie. «Nimm dir Zeit, alles in Ruhe zu überdenken, sonst gerätst du in Schwierigkeiten. Ganz besonders, wenn es um die Purefoys geht. Verstehst du mich?»
    «Noch nicht ganz.» Offenbar hatte ihr Sorrel Podmore am Telefon schon einiges erzählt. Das war gut, denn es sparte Zeit.
    Sie hatte sämtliche Kissen von den anderen Sesseln geholt und um sich herum aufgetürmt. Sie wirkte wie eine winzige, exotische Kaiserinnenwitwe.
    «Was weißt du über die Purefoys?»
    «So gut wie gar nichts.»
    «Das ist kein schlechter Ausgangspunkt. Es ist übrigens eine ziemlich hässliche Geschichte.»
     
    Jane hatte lange an ihrem Schlafzimmerfenster gestanden, weil sie trotz allem immer noch das Bedürfnis hatte, die Ewige Sonnenfürstin zu grüßen.
    Ohne diese und die anderen

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