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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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ich will es bloß nie wieder sehen.»
    «Ist gut. Morgen kümmere ich mich darum.»
    «Danke. Oh, da hat übrigens eine Frau für dich angerufen. Mary?»
    «Merrily?»
    «Kann sein. Sie sagte, du sollst sie zurückrufen. Hör mal, Lol, ich habe versucht   … dich für meine Unfähigkeit als Bruder verantwortlich zu machen. Das tut mir leid – und alles andere auch.»
    «Du konntest nicht viel machen, Den. Am Schluss hat Moons Schicksal in anderen Händen gelegen.»
    «Nein», Dennys Augen verengten sich. «Ich will diesen Scheiß nicht mehr hören. Sie war krank, fertig. Mit was anderem will ich mich nicht mehr belasten. Mit was anderem werde ich mich nicht befassen.»
    Lol nickte. Also würde er sich allein damit befassen müssen.
     
    «Hallo, hier ist das Pfarrhaus von Ledwardine. Merrily und Jane sind im Moment nicht da, aber wenn Sie   …»
    Lol legte den Hörer auf und ließ sich für eine Weile in Ethels Sessel nieder. Sein Kopf war voll mit Dingen, die noch vor kurzem keine Bedeutung gehabt zu haben schienen.
    Wie zum Beispiel das Schwert. Das Schwert, das sie zufällig neben einer Grube gefunden hatte, die so aussah, als hätten die Purefoys versucht, dort einen Teich zu graben. Das Schwert schien geradezu auf Moon gewartet zu haben – als ob es so vorherbestimmt gewesen sei. Sie hatten es für Moon in den Erdhaufen gesteckt, oder?
    Vielleicht hatten sie es dort gefunden, wo Denny es vergraben hatte, oder vielleicht war es auch gar nicht dasselbe Schwert – es konnte sein, dass sich Dennys Erinnerung an die aktuellen Umstände angepasst hatte.
    Bei der Beerdigung hatte Anna Purefoy gesagt:
«Wir konnten nicht widerstehen, als sie sich für die Scheune interessierte – wir dachten, sie passt einfach perfekt.»
    Moon passte perfekt, weil ihre Besessenheit – nach Anna Purefoys okkultistischer Lehre – einen Zugang zum Zentrum der heidnischenVergangenheit auf dem Dinedor Hill bot. Indem sie die einst dominante heidnische Energie wieder heraufbeschworen, wollten sie eine spirituelle Umpolung erreichen. Sie setzten die keltische Tradition der rachsüchtigen Krähengöttin und ein Blutritual ein, um den heiligen Hügel mit der vormittelalterlichen Kirche am Ende der Energielinie zu verbinden. Auf diese Weise erweckten sie etwas Uraltes, Verdorbenes in der christlichen Kathedrale zu neuem Leben.
    Der Glaube war alles, hatte Athena White gesagt. Es spielte keine Rolle, wie real irgendetwas war, wenn
sie
nur daran glaubten. Sie mussten Moon ihren Willen nicht einmal aufzwingen, denn Moon kam ihnen auf halbem Weg entgegen. Aber hatten sie Moon tatsächlich umgebracht? Hatten sie das keltische Schwert als Opferklinge benutzt, um Moons Pulsadern aufzuschneiden? Wenn sie Moon nämlich nicht angerührt hatten, dann würde man ihnen nichts nachweisen können, nicht mal so etwas wie Sterbehilfe.
    Er versuchte noch einmal, Merrily anzurufen.
    «Hallo, hier ist das Pfarr   …»
    Er legte auf, hob wieder ab und wählte erneut. Nachdem die Ansage durchgelaufen war, sagte er: «Merrily. Ich muss das jetzt jemandem erzählen. Es geht um Moon und   … und die Entweihung dieser kleinen Kirche   …»
    Er redete, bis ihn nach drei Minuten ein Pfeifton darauf hinwies, dass seine Redezeit zu Ende war. Er wartete ein bisschen ab, wählte wieder und sprach seine Gedanken über Projektionen auf den Anrufbeantworter. Er wusste genau, warum er das tat: Er musste all das laut aussprechen, um zu entscheiden, ob er es glauben konnte.
    Moons Vater: kein Geist, sondern eine
Projektion
, ein übertragenes Bild. Eine
Projektion
zu senden – Athena hatte ihn ein bisschen neckisch angesehen – war gar nicht so schwierig. Besonders nicht, wenn die Purefoys ein Foto hatten, mit dem sie arbeitenkonnten. Wenn sie Fotografien und Erinnerungen, Halbwahrheiten und passende Begleitumstände kombinierten – und wenn sie sich die Kraft der Ahnen zunutze machten.
    «Sie könnten Moon mit einer Kombination aus Projektion, Hypnose und Psychosuggestion dazu gebracht haben, sich selbst umzubringen.»
    Als der Pfeifton wieder ertönte, wählte Lol nicht noch einmal. Er stellte sich an seinen üblichen Platz am Fenster und sah auf die weihnachtlich beleuchtete Capuchin Lane hinunter. Moons Schatten bewegte sich am Rand seines Sichtfeldes   – Moon in ihrem Mittelalterkleid und mit ihrem Rette-mich-Haar.
    Was sollte man mit solchen Informationen anfangen? Was konnte man machen, außer zur Polizei zu gehen oder zu versuchen, es bei der amtlichen

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