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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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  VIII. unterbrochen. Die Reformation hat der Kathedrale ohnehin ziemlich zugesetzt. Viele Bleiglasfenster wurden eingeworfen, Skulpturen gestürzt. Dann kamen der Bürgerkrieg und der Puritanismus. In die meisten Kathedralen kehrte der Kinderbischof nie zurück, aber Hereford nahm die Tradition vor etwa fünfundzwanzig Jahren wieder auf. Die Zeremonie basiert auf einer Zeile aus dem Magnifikat:
Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Bescheidenen und Sanftmütigen

    «Das ist Blödsinn», sagte Jane. «Ich kenne überhaupt niemanden in meinem Alter, der auch nur ansatzweise bescheiden oder sanftmütig ist.»
    «Ich glaube, wir machen es doch besser so, dass ich dir sage, wann du mit dem Zynismus anfangen sollst. Also, zurück zu der Zeremonie. Nach einer Kerzenprozession überträgt der Bischof von Hereford seinen Thron an den Jungen, der den Rest des Gottesdienstes übernimmt, indem er die Gebete vorspricht und eine kurze Predigt hält.»
    «Täusche ich mich, oder stehen die Jungs nicht gerade Schlange, um dieses tolle Amt zu bekommen?»
    «Da hast du vermutlich recht. Für die Eltern ist es viel wichtiger. Der Kinderbischof stammt fast immer aus dem Knabenchor der Kathedrale, oder hat bis kurz vor seiner Inthronisation darin gesungen, und er hat ein paar Begleiter, die ebenfalls aus dem Chor sind.»
    «Das bedeutet also, dass Hunter seinen Thron symbolisch an diesen Typen abgibt.»
    «Nein, es ist nicht symbolisch. Er tut es wirklich. Und dann ziehen der Junge und sein Gefolge vom Altarraum ins nördliche Querschiff, wo er St.   Thomas Cantilupe an seinem Schrein vorgestellt wird.»
    «Beziehungsweise in diesem Fall dem Loch, an dessen Stelle der Schrein normalerweise steht.»
    «Ja. Wenn ich es recht verstanden habe, wird es das erste Mal seit der Einführung der Zeremonie im Mittelalter sein, dass es kein Grabmal gibt.»
    «Und das ist sehr bedeutsam, stimmt’s?»
    Merrily sagte: «Also findest du das auch?»
    «Vielleicht.» Jane schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr.
    «Wenn – und das ist die Crux daran – man versuchen wollte, einen Moment zu bestimmen, in dem die Kathedrale von Herefordbesonders anfällig für   … so etwas wie spirituelle Störungen ist, könnte man darauf kommen, sich die Zeit um eine Jahrtausendwende herauszusuchen   … und einen Augenblick, in dem das Grab ihres Schutzheiligen in Einzelteile zerlegt ist   … und in dem der Bischof von Hereford   …»
    Sie unterbrach sich und beugte sich zu dem Kippschalter der Schreibtischlampe hinüber. Das rote Lämpchen am Anrufbeantworter blinkte wie ein leuchtender Blutstropfen.
    «…   bloß ein Junge ist», ergänzte Jane.
    «Das ist das letzte Teil von Huws Puzzle. Also – ist das alles bloß abergläubischer Mist? Du kannst jetzt mit den zynischen Kommentaren anfangen.»
    «Danke.»
    «Und?» Merrily knipste die Lampe an.
    «Wie viel Zeit haben wir, bevor die Zeremonie anfängt?»
    «Sie findet während der Abendandacht statt. Die war früher immer um fünf Uhr nachmittags. Aber Mick hat sie auf halb acht verlegt. Also haben wir noch ungefähr drei Stunden.»
    «Oh.»
    «Viel Zeit ist das nicht.»
    «Nein.» Jane stand auf und steckte die Hände in die hinteren Taschen ihrer Jeans. «Warum versuchst du nicht nochmal, Huw Owen zu erreichen?»
    «Er ist unterwegs. Und selbst wenn ich ihn erreichen würde, bräuchte er länger als eine Stunde, um hierherzukommen.»
    «Und Lol? Vielleicht kann er James’ Dad irgendwie unter Druck setzen.»
    «Na gut.» Merrily wählte, und nach dem zweiten Läuten wurde abgenommen.
    «John Barleycorn.» Es war eine fremde Stimme.
    «Oh, ist Lol da?»
    «Nein, er ist nicht da. Hier ist Dennis Moon, ich habe das Telefonim Laden abgenommen. Wir haben hier nur einen Anschluss, verstehen Sie? Soll ich ihm etwas ausrichten, falls er auftaucht, bevor ich gehe?»
    «Könnten Sie ihn bitten, bei Merrily anzurufen?»
    «Klar, ich schreib’s ihm auf.»
    «Wir können es ruhig gleich zugeben», sagte Merrily, nachdem sie aufgelegt hatte. «Dieser Typ wird seinen Sohn niemals von der Zeremonie abziehen.»
    «Das glaube ich auch. Und was ist, wenn etwas passiert, das wir hätten verhindern können? Aber was sollte das sein?»
    «Na ja, jedenfalls vermutlich kein Gewitter, bei dem der Blitz in den Turm einschlägt und ihn spaltet.» Merrily sah Jane erstarren. «Schatz?»
    «Warum hast du das gesagt?»
    «Was denn?»
    «Das mit dem gespaltenen Turm.»
    «Weil es das Erste war, was mir in den

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