Mittwinternacht
Patricks Harnisch» an die blassgrauen Wände. Ein Fenster stand offen, sie hörte eine Sirene näher kommen – die Polizei oder ein Krankenwagen, der jemanden in die Notaufnahme brachte. Da draußen in der Welt ging alles seinen üblichen Gang, und sie saß hier in einem ehemaligen Irrenhaus und wappnete sich mit mittelalterlichen Versen.
«Verfallen Sie nie dem Irrtum, dass Sie selbst es sind, die etwas
bewirken»
, hatte Huw betont.
«Sie sind niemals mehr als ein Medium, ein Gefäß. Wir wollen keinen Van-Helsing-Quatsch, keine Kruzifixe, die wie Kriegsäxte herumgeschwenkt werden. Ich selbst habe immer ein winzig kleines Kreuz bevorzugt. Da vergisst man nicht so leicht, welche Rolle man im großen Zusammenhang spielt.»
Sie trug ihr eigenes Kreuz unter ihrem Pullover, und es war ebenfalls ziemlich klein.
Sie konnte nur wenig tun. Sie durfte keinen Exorzismus durchführen – und das war auch richtig –, ohne die Erlaubnis des Bischofs eingeholt zu haben. So wie sie Mick Hunter kannte, würde er einen schriftlichen Bericht verlangen und mindestens zwei Tage lang die moralische Seite und die Wirkung auf die Öffentlichkeit abwägen, falls etwas davon durchsickerte.
Merrily ging wieder auf die Station, auf der die meisten Patienten schnarchend und unruhig schliefen. Kaum jemand verbrachte im Krankenhaus friedvolle Nächte. Die Digitaluhr an der Wand zeigte 4 : 25 an.
«Ich geh besser mit Ihnen hinein», sagte Cullen.
«Vielleicht lieber nicht, Eileen.»
«Wenn möglich, lassen Sie sich unbedingt von anderen Christen unterstützen – es ist ohnehin gut, einen Zeugen zu haben, falls hinterher irgendein Mist in der Presse steht. Sie können es auch so sehen: Wenn Sie jemanden bei sich haben, dann stellen Sie sicher, dass Sie diese Person einschätzen können.»
«Weil ich keine überzeugte Christin bin? Meine Güte! Na gut … Schwester Protheroe, wie wäre es mit Ihnen? Sie haben schließlich mit der ganzen Sache angefangen.»
Sandra zuckte zurück. «Das kann ich nicht.»
«Aberglaube», sagte Cullen verächtlich. «Das ist unprofessionell. Tja, irgendwo werden wir ja noch eine qualifizierte Krankenschwester auftreiben. Wir sind hier in einem Krankenhaus, falls das jemand vergessen haben sollte.»
«Ich mache es», sagte Tessa.
«Sei nicht dumm», zischte Sandra.
Merrily dachte an Jane. Sie würde ihre Tochter auf keinen Fall in der Nähe haben wollen.
Mein Gott, das ist wirklich die reinste Feuertaufe hier. Vier Frauen stecken die Köpfe zusammen wie beim Hexenkongress, um etwas gegen einen Sterbenden auszuhecken. Wenn davon irgendetwas bekannt wird, lacht man uns aus, falls man uns nicht gleich für paranoid erklärt. Oder für eiskalte, rachsüchtige Verschwörerinnen hält. Sind wir das vielleicht auch?
«Hören Sie», sagte Merrily. «Ich kann das sehr gut allein. Ich werde nichts Dramatisches unternehmen – kein Weihwasser verspritzen oder so. Sie können alle durch die Scheibe zusehen.»
«Nein», sagte Cullen.
«Ich unterrichte in der Sonntagsschule», erklärte Tessa feierlich. «Ich kann damit umgehen, solange ich dadrin nicht allein bin.»
«Also gut.» Eileen Cullen zuckte mit den Schultern. «Aber nur, wenn Ihnen klar ist, dass es nicht zu Ihren Dienstpflichten gehört. Außerdem werden Sie sich im Hintergrund halten, ist das klar? Sobald es Schwierigkeiten gibt, holen Sie mich. Sie wissen, was ich mit Schwierigkeiten meine?»
«Ich glaube schon.» Tessa nickte. Dann biss sie sich in die Oberlippe und strich sich eine aschblonde Strähne aus der Stirn.
Merrily legte die Hand auf Tessas Schulter und sah ihr direkt in die Augen. «Sind Sie sicher, dass Sie das wollen?»
«Es ist das Beste, oder?»
«Gut. Würden Sie dann bitte kurz mitkommen?»
Der kleine Desinfektionsraum als Ersatzkapelle. Merrily sah die junge Frau an, die neben Müllsäcken voller benutzter Wattetupfer und Verbandsmaterial stand, das von Körperflüssigkeiten und Gott weiß was noch durchtränkt war.
«Tessa, ich … Wie alt sind Sie?»
«Neunzehn.»
«Okay. Sehen Sie … Ich will einfach sagen, dass ich nicht genau weiß, was ich von alldem halten soll. Was Mr. Joy zu seiner Zeit auch immer getan hat, es ist nicht meine Aufgabe, ihn zu verurteilen. Wir gehen einfach hinein, um mit ihm zu beten, und versuchen, ihm ein bisschen Ruhe und Frieden zu vermitteln. Wir versuchen, das krankhafte Verlangen zu beruhigen, das er in sich hat, sodass er sein Leben mit Würde beschließen kann.
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