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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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rufen wir jemanden rauf, der ihn rausholt.»
    «Es tut mir leid, Eileen.» Merrily putzte sich die Nase. «Das war ein lächerlicher Auftritt.»
    «Und wennschon. Woher zum Teufel er die Kraft hatte, sich aufzusetzen, geht über meinen Horizont. Er war bloß noch eine leere Hülle, mehr nicht. Nichts mehr übrig. Was verflixt nochmal haben Sie
gemacht

    «Gemacht?» Sie zerknüllte das feuchte Papiertaschentuch in der Hand – der Hand mit dem
Kratz-Kratz
. «Keine Ahnung, was passiert ist.»
    «Und was vermuten Sie?»
    «Woher soll ich das wissen? Ich war vollkommen überfordert. Ich hatte überhaupt keine richtige Vorstellung davon, was ich tun sollte. Das war alles verdammter Schwachsinn, Eileen. Eine Farce. Theater.»
    Jedenfalls hab ich Theater gespielt; er nicht.
    «Hey, das habe ich nicht gehört. Das ist Ihr Beruf.» Cullen legte Merrily die Hand aufs Knie. «Wir gehen auf einen Kaffee in mein Büro, sobald ich Protheroe dazu gebracht habe, das Nötige zu veranlassen.»
    «Das Nötige?»
    «Den armen Mistkerl aufzubahren. Wir haben doch keine Angst vor Leichen, nicht mal vor der hier. Obwohl   … Sie haben sein Gesicht nicht gesehen, oder?»
    Merrily schüttelte den Kopf. «Da habe ich noch auf dem Boden gesessen. Ich habe nur seinen Hinterkopf gesehen und wie diese Schläuche herumgeflogen sind, als er sich   … aufrichtete.»
    Sie erschauerte. Das Schnappen, mit dem die Schläuche herausgerissen waren, klang ihr immer noch in den Ohren.
    «Sie Glückliche. Da können Sie heute Nacht vermutlich noch ein bisschen schlafen.» Cullen zog an ihrer Zigarette. «Er war total geschockt. Zuerst dachte ich, er starrt mich an. Aber er hat über meine Schulter gesehen, zur Tür raus in den Flur. Aber da war keiner. Jedenfalls niemand, den
ich
sehen konnte. Und der Ausdruck auf seinem Gesicht: als ob ihn jemand holen kommt,verstehen Sie? Als ob die Person, vor der er sich am meisten auf der Welt fürchtet, an der Tür steht und darauf wartet   … Meine Güte, was man in diesem Job alles zu sehen bekommt, man könnte verrückt werden, wenn man nicht so verdammt viel zu tun hätte.»
    «Darauf wartet, ihn zu holen», sagte Merrily düster. «Was immer es war, hat darauf gewartet, ihn zu holen.»
    «Es ist die Chemie, das ist alles. Die Chemie im Kopf. Manchen Sterbenden erleichtert die Chemie im Kopf den Abschied.»
    «Die Engel auf der Schwelle.»
    «Oder der Teufel. Was auch immer es für ein Medikamentencocktail war, der diesem Mann den Kopf vernebelt hat, er hat ihm den Teufel mitsamt dem ganzen Programm erscheinen lassen.»
    «Was bedeutet, dass ich versagt habe.»
    «Ausgleichende Gerechtigkeit, meine Liebe.»
    «So hätte es nicht laufen sollen.» Sie musste noch eine Frage stellen, eine wirklich naheliegende Frage. Was war es nochmal? Es fiel ihr nicht mehr ein.
    «Kommen Sie, wir trinken einen Kaffee.»
    «Vielen Dank, aber ich muss nach Hause. Ich habe eine Tochter.»
    «Soll Sie jemand fahren? Es könnte sein, dass Sie unter Schock stehen.»
    «Nein, nein, es geht schon. Soll ich vielleicht später kommen und das Zimmer   … reinigen?»
    «Was? Wenn alle Patienten wach sind?» Cullen stand auf. «Wollen Sie das große Kreuz schwingen und Hokuspokus veranstalten? Vergessen Sie’s. Da reichen Eimer und Schrubber vollkommen. Es ist vorbei.»
    «Ist es das?»
    «Was erwarten Sie von mir? Ich bin nicht gläubig. Das war nur die Chemie, Merrily, und vielleicht noch ein paar von Ihren Zutaten,glauben Sie nicht? Wir erzählen dem Bischof, oder wem Sie wollen, dass Sie Ihre Aufgabe großartig erledigt haben.»
    Dem Bischof?
    «Mir wäre es lieber, wenn Sie sagen, dass ich nie hier gewesen bin.»
    «Das meinen Sie nicht im Ernst.»
    «Erzählen Sie ihnen, dass ich nicht ans Telefon gegangen bin.»
    «Sie sollten sich ein bisschen ausruhen. Rufen Sie mich zu Hause an, wenn Sie das Bedürfnis haben. Ich habe Ihnen meine Nummer auf Ihre Zigarettenschachtel geschrieben.» Schwester Cullen drückte Merrilys Arm. «Danke, Merrily. Was Sie gemacht haben, war okay, schätze ich.»
     
    Der Bischof?
    Hatte der Bischof ihr eine Falle gestellt?
    Das war die Frage gewesen, die sie hatte stellen wollen. Es fiel ihr wieder ein, als sie das Krankenhaus verließ und ihre Jacke überstreifte. Wer genau hatte ihnen gesagt, dass sie bei ihr anrufen sollten? Wer hatte ihnen mitgeteilt, dass Merrily Watkins eine ausgebildete Beraterin in spirituellen Grenzfragen und zum Einsatz bereit war?
    Er musste es gewesen sein. Er war

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