MK Boeckelberg
schließlich doch noch erschienen war, von weiteren Angaben hatte abhalten wollen. Einmal begonnen, hatte er sein Geständnis ohne Zeitverlust und Unterbrechung zu Ende bringen wollen.
Streckenweise hatte Hünner wie ein Kind zusammengekauert auf seinem Stuhl gehockt. Er hatte ausgesehen wie ein kleiner Junge, der mit eingezogenem Kopf darauf wartete, dass man ihn für seine bösen Worte strafen würde. Verwundert darüber, dass niemand im Raum ihn einen Versager nannte, hatte er sich immer weiter geöffnet, hatte immer ausschweifender von sich und seinem Leben erzählt.
Hünner hatte sein Elternhaus als Ort seiner nicht enden wollenden Qual erlebt. Er hatte seine Eltern als übermächtige Monster erlebt, die ihn jede Nacht in seinen Träumen heimgesucht hatten. Sie hatten ihm weder Raum noch Zeit zum Atmen gelassen.
»Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, Hünner zu duzen?«, fragte Ecki, als sie wieder allein im Büro waren.
Frank stand auf und öffnete das Fenster. »Ich weiß es nicht. War so ein Gefühl. An den Geschäftsmann, an den Manager und Politiker Hünner sind wir nicht herankommen. Aber das Kind Daniel könnten wir Glück haben, habe ich gespürt.«
»Wie auch immer, genial, dein Einfall.«
Frank setzte sich wieder. »Ich denke, dass das Geständnis ausreicht, um ihn hinter Gitter zu bringen. Allein für den Mord an Sabrina Genenger wird er lebenslänglich bekommen. Und im Fall der kleinen Carina wird er sich zumindest wegen Beihilfe verantworten müssen.«
»Das ist am Ende doch nicht wenig, was wir erreicht haben. Findest du nicht? Bist du zufrieden? Jetzt, da der Fall gelöst ist?«
»Dieser Fall ist gelöst. Aber wir haben immer noch die anderen toten Kinder. Hünner hat uns doch erklärt, wer dahintersteckt.«
»Glaubst du daran?«
»Soll ich ehrlich sein?«
»Nur zu.«
»Ich glaube nicht an diese Version. Ich glaube eher, dass Hünner diesen geheimen Zirkel ›Der Fünfer Bund‹ nur erfunden hat, nicht nur, um uns von seiner Schuld abzulenken, sondern auch, um selbst mit der eigenen Schuld leben zu können. Er war mit Sicherheit nicht fremdbestimmt. Er hat ganz bewusst und zielstrebig gehandelt. Er hat die Kinder umgebracht, um sich damit die eigene Macht zu beweisen. Er hat die Kinder besorgt und Paul Hefter als Werkzeug benutzt.«
»Nachvollziehbar. Wenn auch nur eine These. Aber, um dich zu beruhigen – ich denke genauso wie du.«
Frank tippte mit seinem Bleistift selbstvergessen auf seine Notizen. »Ich kenne zwar den genauen psychologischen Begriff nicht für dieses, zugegeben komplizierte, Tat- und Verhaltensmuster, aber ich bin sicher, dass der Gutachter zu dem gleichen Schluss kommen wird wie wir. Anders kann nämlich kein Schuh aus der Sache werden.«
»Böllmann hat etwas von Projektion erzählt.«
»In diese Richtung wird es gehen. Ich habe viel über Hünner und die Verbrechen nachgedacht. Als ich nachts nicht schlafen konnte, habe ich ein paar Mal mit Heinz-Jürgen telefoniert und über ähnliche Fälle gesprochen. Im Computer des LKA hat er dann ein paar interessante Hinweise gefunden. Ich denke jetzt, dass Hünner in Paul Hefter eine verwandte Seele gefunden hat. In einer solchen Schicksalsgemeinschaft lässt sich die eigene Verantwortung und der eigene abartige Trieb für die Verbrechen einfacher, womöglich als vergleichsweise normal erleben und ertragen. Hefter hat sich sicher leicht zum Serienkiller manipulieren lassen. Hünner wird ihm ebenso wie uns die Geschichte mit den geheimen Herren im Hintergrund aufgetischt haben, um seine Spuren zu verwischen.«
»Bleibt noch die Frage, wer Hefter umgebracht hat. Die Kollegen haben keine Spuren gefunden. Auch keine, die auf Hünner deuten könnten. Ein Phantom muss sich in die Kabine geschlichen und die tödliche Spritze gesetzt haben.«
»Interessant ist das Mordwerkzeug. Passt zu einem Fußballverein. Eine Ballpumpe.« Frank legte den Bleistift hin.
»Trotzdem werden wir Mösges und die IEA überprüfen. Aber – das muss ich dich fragen – warum hast du mir nicht erzählt, dass du mit Heini telefoniert hast? Das wäre doch normal gewesen. Wir haben bisher alles besprochen.« Ecki sah seinen Freund besorgt und traurig an.
»Ich will mich nicht entschuldigen, ich will es nur erklären: Was ist in diesen Tagen und bei diesen Fällen schon normal?«
»Ist schon okay.«
XX.
»Seien Sie mir bitte nicht böse, meine Herren. Aber das, was Sie mir gerade geschildert haben, ist ja geradezu ungeheuerlich. Wenn
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