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MK Boeckelberg

MK Boeckelberg

Titel: MK Boeckelberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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Sie.«
    Lehnen füllte zwei Gläser und trank einen Schluck, bevor er sprach. »Aus rein medizinischer Sicht kann ich nicht viel dazu sagen. Sie müssen ihrer Freundin nun viel Zeit geben. Sie wird den Tod ihres Kindes nicht leicht verarbeiten. Frauen, die ihr Ungeborenes auf diese Weise verlieren, befinden sich, wie soll ich sagen, in einer psychischen Ausnahmesituation. Diese Frauen wollen Leben gebären und werden stattdessen unvermittelt mit dem Tod konfrontiert. Sie geben sich die Schuld am Tod des Fötus. Sie kapseln sich ab, wollen den Schmerz alleine ertragen. Sie verlieren ihre Kraft, ihren Lebenswillen. Herr Borsch, für Sie und ihre Partnerin bricht eine schwere Zeit an. Sie werden viel Geduld aufbringen müssen, um wieder ein normales Leben führen zu können. Auch Sie werden viel Kraft brauchen, denn nicht selten führt dieses archaische Erlebnis zu einem Bruch der Partnerschaft, zu einer Abkehr vom Liebsten. Quasi als Bestrafung für die eigene erlebte subjektive Unfähig- und Unzulänglichkeit.«
    Was hatte Lehnen gesagt? Borsch hatte versucht, genau hinzuhören. Aber seine Gedanken waren immer wieder abgeglitten. Er konnte sich nicht auf das Gespräch konzentrieren. Er hatte nur »Tod« verstanden, »Bestrafung« und »Suizid«. Was war mit Lisa? Er wollte endlich zu ihr!
    »Wann kann ich zu ihr? In welchem Zimmer liegt sie?«
    »Sie müssen ihr und sich Zeit geben. Ich halte es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für gut, dass Sie zu ihr gehen. Außerdem hat sie ein starkes Beruhigungsmittel bekommen. Ihre Freundin schläft schon.«
    »Was fällt Ihnen ein?« Frank wollte aufspringen, aber seine Beine gehorchten ihm nicht. »Sie können mir nicht einfach verbieten, sie zu sehen. Wo ist sie?«
    »Bitte, seien Sie vernünftig. Sie können jetzt nichts für sie tun. Die nächste Zeit wird sie alleine bewältigen müssen und auch wollen. Glauben Sie mir. Am besten fahren Sie nach Hause und ruhen sich aus. Ihnen geht es auch nicht gut. Das kann ich sehen. Bitte, Herr Borsch, seien Sie vernünftig. Fahren Sie heim und ruhen Sie sich aus.«
    »Einen Teufel werde ich tun. Lassen Sie mich zu Lisa! Ich gehe nicht eher weg, bis ich sie gesehen habe!« Mit einer großen Kraftanstrengung war Frank aufgestanden und stand nun vor Lehnen. »Wo ist sie?«
    Der Gynäkologe war aufgestanden und einen Schritt zurückgewichen. Er war einen halben Kopf kleiner als Frank, der mit geballten Fäusten vor ihm stand.
    »Wo?«
    »Nun gut, Herr Borsch. Sie dürfen einen Augenblick in ihr Zimmer sehen. Kommen Sie.« Lehnen war zwar nicht davon überzeugt, dass er das Richtige tat, aber anders war dieser Kommissar offenbar nicht zu beruhigen.
    Der Chefarzt der Frauenklinik zog Frank leicht am Arm mit sich.
    »Ich kann nicht nach Hause, Herr Doktor. Ich habe drei Morde aufzuklären. Ich muss zurück ins Präsidium. Meine Kollegen brauchen mich.«
    »Das halte ich nicht für gut. Sie stehen unter Schock. Sie müssen sich ausruhen. Wenn es Ihnen recht ist, rufe ich Ihre Kollegen an, und Sie nehmen sich ein Taxi.« Lehnen blieb vor einer Tür stehen. »Warten Sie einen Augenblick. Ich will erst nach ihr sehen.« Er ging ins Zimmer und ließ Frank zurück.
    Einen Augenblick später öffnete er wieder die Tür und ließ Frank ein. Frank blieb scheu an der Zimmertür stehen. Lisa lag in einem Bett am Fenster und war an ein paar Apparaten angeschlossen, deren Funktion Frank nicht erkennen konnte.
    Lisa lag auf dem Rücken. Sie sah blass aus. Ihre Haare klebten an ihrem Kopf. Sie hatte die Augen geschlossen. Wie bei einem frischen Tatort nahm Frank automatisch die Szene in sich auf, speicherte in seinem Kopf jede Kleinigkeit. Selbst die Art, wie ihre Tasche auf dem kleinen Tisch gegenüber ihrem Bett stand, übersah er nicht: Wie hastig geöffnet und grob durchwühlt. Daneben eine kleine Vase mit bunten Blumen. Frank registrierte, dass eine Schale mit Medikamenten auf dem Nachtschränkchen stand. Es war Lisa, die vor ihm lag. Aber im Augenblick war sie eine fremde Frau in einem fremden Bett und in einer fremden Umgebung. Er hätte sie gerne auf den Arm genommen und aus dem Zimmer getragen. Fort aus diesem Albtraum und hinein in ihre glückliche Zukunft zu dritt. Aber er wusste jetzt, dass es kein böser Traum war, sondern entsetzliche Realität.
    »Sie können ruhig ein Stück näher gehen«, ermunterte Lehnen Frank.
    Wie benommen schüttelte Frank seinen Kopf und blieb stehen. »Ich kann nicht. Ich kann nicht.«
    Lehnen sah ihn

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