MK Boeckelberg
Wochenenden mit britischen Soldaten in der Mönchengladbacher Altstadt gemacht hatte.
Colonel Barry Digby ließ sich nicht anmerken, ob Eckis Missachtung seines Dienstgrades ihm gegen die militärische Ehre ging.
»Wollen wir nicht in mein Büro fahren? Dort können wir alles in Ruhe besprechen. Unser Spezialteam wird jeden Augenblick hier sein. Ich denke, dass das Kind hier nicht ermordet wurde. Wer hat den Jungen eigentlich gefunden?«
»Wir sind angerufen worden. Anonym.« Ecki hatte genug vom militärischen Ton des Colonels und wäre am liebsten direkt zum Präsidium gefahren.
Stattdessen hatten sie noch rund zwei Stunden im karg, aber zweckmäßig eingerichteten Büro des Colonels im sogenannten Big House, dem Herzstück des Nato-Hauptquartiers, zugebracht. Bis zu seinem Zimmer hatten sie mehrere Sicherheitsschleusen und Kontrollen passieren müssen. 280 Meter lang, hatte der Colonel wie ein Fremdenführer erklärt, war das Big House. Raum für drei Stabsquartiere: Für das Schnelle Eingreifkorps der Nato, für die Erste Fernmeldebrigade und für das United Kingdom Support Command, Germany. Noch stünden etwa 24.000 britische Soldaten und deren Familienangehörigen in Deutschland.
Ecki hatte sich überall, soweit es die Briten zuließen, aufmerksam umgesehen. Immerhin war er im Hardterwald quasi in der Nachbarschaft des HQ, wie die Gladbacher das Militärgelände aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nannten, aufgewachsen. 1955 in zwei Jahren gebaut, hatte Digby doziert, die stolze Zahl von 2.000 Gebäuden. Der weitläufige Geländekomplex, die kleine Stadt in der Stadt, mit ihren eigenen Geschäften, Kinos, Post, Bank, einigen Kneipen, Schulen und englischen Straßennamen, waren Ecki immer ein wenig fremd und unheimlich erschienen. Kontakt hatte er als Kind und Jugendlicher keinen gehabt. Er hatte ab und an mal durch einen Zaun den englischen Kindern beim Spielen zugesehen und ihre Schuluniformen bestaunt. Ansonsten hatte er die Kinder nur dann gesehen, wenn sie in ihren Militärbussen zur Schule oder zurück auf das Militärgelände gebracht wurden.
Konzentriert hatte sich der Offizier die bisherigen Ermittlungsergebnisse der beiden Kommissare schildern lassen. Nur hin und wieder hatte er eine Frage gestellt.
Colonel Barry Digby hatte sich nicht an ihrer Spekulation über mögliche Motive und einen möglichen Täterkreis beteiligen wollen. Stattdessen hatte er zugesagt, Frank und Ecki über seine Ermittlungen zu informieren. Gleichzeitig ließ er aber keinen Zweifel daran: Sollte ein Angehöriger der britischen Streitkräfte Täter sein, würde der Soldat unter allen Umständen vor ein britisches Militärgericht gestellt werden.
Bei der Verabschiedung zeigte der Brite zum ersten Mal so etwas wie eine private Seite. Er erzählte den beiden Ermittlern, dass er ein großer Fußballfan von Arsenal London sei und auch gerne zum Bökelberg gegangen war. Mit »die UEFA-Cup-Spiele zwischen den Gunners und den Fohlen in London und Köln waren einfach klasse«, hatte Colonel Digby sich von Frank und Ecki lächelnd verabschiedet.
»Und?« Ecki kramte im Handschuhfach ihres Dienstwagens.
»Was und?« Frank rollte langsam an der Eingangskontrolle des HQ vorbei. Er beobachtete interessiert, wie ein britischer Soldat in tarnfarbenem Kampfanzug und mit einem Sturmgewehr im Anschlag, aus einem offenen Wagenfenster Papiere entgegennahm und kontrollierte. Dabei hielt er gebührend Abstand von dem Rover älteren Baujahres.
»Hörst du mir überhaupt zu?«
»Entschuldigung, ich habe mich nur gerade gefragt, was passiert, wenn in dem Auto da eine Bombe versteckt wäre.«
»Dann könnte ich jetzt keine Lakritze mehr essen.« Triumphierend hielt Ecki eine offene Tüte Lakritzschnecken hoch. »Was ich meine, ist: Haben wir es vielleicht mit einem britischen Soldaten als Täter zu tun?«
Die Tüte knisterte, als Ecki nach zwei schwarzen Schnecken griff.
»Ich hoffe nicht. Dann wären wir angeschmiert. Die Leiche vom Bökelberg ist vermutlich vor zehn Jahren umgebracht worden. Weißt du, wie viele Soldaten seither durch das HQ geschleust wurden? Tausende, mindestens. Da werden wir wohl eher eine Stecknadel im Heuhaufen finden. Ich denke aber eher, dass wir es mit einem Täter zu tun haben, der immer noch in der Stadt oder in der Umgebung lebt. Die Frage ist nur, warum liegen zwischen den Taten zehn Jahre?«
Ecki schmatzte leicht. »Dass die Dinger immer an den Zähnen kleben bleiben müssen. Nee, ich meine, es
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