MK Boeckelberg
kleine Puppe hoch. Ein glückliches Kind in einer behüteten Umgebung. Was mochte aus ihr geworden sein? Ob die Eltern noch Hoffnung hatten? Bei dem Gedanken an seine beiden Kinder spürte Ecki ein Ziehen in seiner Brust. Niels und Enrica, ihnen durfte nie etwas zustoßen. Er würde Amok laufen, sollten seine Kinder in Gefahr sein. Das hatte er seinem Freund erzählt, als sie beide vor Jahren vor der Leiche eines kleinen Jungen gestanden hatten, der beim Baden in einem Baggerloch in Mönchengladbach ertrunken war. Ecki hatte immer noch die verzweifelten Schreie der Mutter im Ohr.
Bianca, Bianca, dachte Ecki und las weiter. Das Mädchen war damals von einem Spielplatz in Venn verschwunden. Die alleinerziehende Mutter hatte damals sofort ihren Ex-Mann im Verdacht.
Ecki stand auf und trat ans Fenster. Er war unkonzentriert. Immerzu musste er an die Knochen aus dem »Grab« im Stadion denken. Abwesend starrte er auf die hängenden Köpfe der Blumen auf dem Fensterbrett.
Ecki schlug die Akte Bianca wieder zu. Er konnte das Lächeln des Mädchens auf dem leicht unscharfen Foto nicht länger ertragen. Diese arglose Fröhlichkeit und der offene Blick. Wann nach der Aufnahme mochte das Kind verschwunden sein? Die Suche nach vermissten Kindern trieb Ecki an die Grenze der Belastbarkeit. Deshalb hatte es ihn nie zur Bearbeitung derartiger Fälle gedrängt. Aber offenbar nahm das Schicksal diesmal keine Rücksicht auf die Gefühle eines Mönchengladbacher Kriminalbeamten.
Mit einem Ruck beugte Ecki sich vor und nahm die nächste Akte vom Stapel. Es half alles Zaudern nichts.
IV.
Die Leiche lag in einem Gebüsch nicht weit vom Antrim Drive. Das Kind war nur mit einem blauen Unterhemd und einem Strumpf bekleidet. Die Augen des vielleicht fünf oder sechs Jahre alten Jungen starrten stumpf in den Himmel. In seiner blassen kleinen Stirn klaffte ein kleines Loch. Die Arme des Kindes waren über dem Brustkorb verschränkt. Seine Beine waren gerade ausgestreckt.
Läge die Leiche nicht an einer Straße, könnte man den Eindruck bekommen, der Junge sei aufgebahrt worden, dachte Frank. Dazu passend fuhren die PKWs wie bei einer Prozession langsam am Fundort des Jungen vorbei. Frank konnte deutlich die Gesichter der Fahrer erkennen. Er würde den Antrim Drive weiträumig absperren lassen. Die Neugier der Passanten war unerträglich.
»Ich glaub’s nicht.« Eckis Lippen bebten. »Ich glaub’s einfach nicht.«
»Nun beruhige dich, Ecki.« Frank legte seinem Freund die Hand auf den Arm. »Willst du zurück ins Büro fahren? Ich komme schon klar.«
Ecki sah über die Straße und schüttelte stumm den Kopf.
»Excuse me, Sir? Entschuldigung?«
Frank drehte sich um. Aus einem blauen Militärfahrzeug stieg ein Soldat in britischer Uniform. Im Wagen blieb ein Soldat zurück, offenbar der Fahrer.
»Mein Name ist Barry Digby, Colonel Barry Digby. Ich leite die Ermittlungen.«
Mit knapper Geste reichte der Brite den beiden Ermittlern die Hand. Frank und Ecki wechselten einen kurzen Blick, sagten aber nichts.
Colonel Barry Digby warf einem schnellen Blick auf die Leiche, bevor er sich wieder an die Polizeibeamten wandte. »Darf ich bitte Ihre Dienstausweise sehen?« Er öffnete seine Hand. »Reine Formsache.«
Die beiden Polizeibeamten folgten stumm der Aufforderung.
»Kriminalhauptkommissar Frank Borsch und Kriminalhauptkommissar Michael Eckers.« Der Colonel sprach die Vornamen englisch aus, ansonsten sprach er fast akzentfrei Deutsch. »Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Die Kommissare nickten stumm.
»Scheußliche Sache, nicht?«
»Da sagen Sie was, Colonel.« Frank hatte als erster die Sprache wiedergefunden.
»Ich nehme an, meine Herren«, begann der britische Offizier, »Sie kennen die Vereinbarung unser beider Regierungen. Der tote Junge liegt auf dem Gelände des Joint Headquarters, also auf unserem Hoheitsgebiet. Und deshalb sind wir zuständig. Ich möchte Sie herzlich bitten, uns bei der Aufklärung dieses scheußlichen Verbrechens behilflich zu sein.« Der Offizier deutete eine Verbeugung an.
»Colonel Digby, wir wissen sehr wohl, dass Sie in diesem Fall die Ermittlungen leiten.« Frank deutete seinerseits eine Verbeugung an.
»Was heißt in diesem Fall? Gibt es noch andere Fälle?«
»Die gibt es in der Tat, Herr Digby.«
Ecki ging die blasierte Art des Briten mächtig gegen den Strich. Das lag an seinen Erfahrungen, die er während seiner Jahre im Wach- und Wechseldienst und dann besonders an den
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