Mobile Röntgenstationen - Roman
hinterhältig: Nach Jahren der scheinbaren Heilung progressiert sie unbemerkt, bis sie wieder in ihrer ganzen Heftigkeit hervortritt. Besonders gefährlich sind Blutungen der Lunge. Noch unlängst waren sie eine der häufigsten Todesursachen. Dabei breiten sich neue Tuberkuloseherde aus, manchmal nehmen sie einen ganzen Lungenbereich ein, gehen ineinander über und rufen die so genannte kaseotine Pneumonie hervor. Dabei handelt es sich um eine sehr schwere Komplikation der Tuberkulose. Die Folgen dieser Blutungen zu heilen erweist sich als äußerst kompliziert.
Vladas Milius: Die Tuberkulose gestern und heute, S. 33.
Wie gern möchte man alles der Reihe nach erzählen, aber ich weiß, es gelingt nicht. Es ist zu wenig Zeit, und die Militärärztekommission hat es auch eilig. So muss ich Hrasildas und Danielės Konflikt hier auslassen, genauer gesagt, Hrasės ebenso blödsinnigen wie wütenden Angriffe gegen die kranke Danielė. Ich sage hier nur so viel, dass diesmal hinter Danielė und ihrer Frömmigkeit, die sie gar nicht zu verbergen suchte, wie eine Mauer die ganze Fakultät stand (nicht die militärische, versteht sich) mit Frau Vogel, wenn nicht an der Spitze, dann doch auch nicht in der letzten Reihe. Hatte doch diese Frau, wie es einem Zugvogel geziemt, ihre nicht mehr jungen Schwingen in Bewegung gesetzt und war ins Gelobte Land gereist. Aber auch andere! Wer hätte gedacht, dass selbst der Lehrstuhlleiter Albinas N. sie verteidigte ohne zu schwanken, auch andere, jüngere Dozenten, die sich bisher nie durch Toleranz in religiösen Fragen hervorgetan hatten. Danielė selbst lächelte nur, bereit zu vergeben und zu verzeihen, aber ich wusste: Im tiefsten Inneren war sie allen dankbar. Man spürte, es waren schon nicht mehr solche Zeiten! Noch immer trübe, doppelgesichtig und heuchlerisch, das gewiss, aber nicht mehr solche.
Ich werde mich auch nicht näher darüber auslassen, dass Brūklys uns ziemlich unerwartet und ziemlich drastisch die Miete erhöhte, aber er wurde umgehend dafür bestraft – seine Hämorrhoiden wurden unerträglich, er musste sich ein viertes Mal operieren lassen. Diesmal lieferten sie ihn für eine Woche ins Dritte Allgemeine Krankenhaus ein, nicht weit vom Bahnhof entfernt. Und nur kurz erwähne ich, dass Studenten des Konservatoriums, drittes Studienjahr, mein Stück, ein Einakter in Versform mit dem Titel Lizenz, dennoch aufzuführen wagten. Und dass es umgehend verboten wurde. Oder besser: Es wurde nicht mal verboten, das wäre eine zu große Ehre für mich gewesen, sondern schlicht und einfach eingezogen , wie es damals hieß, nachdem es gerade ein paar Mal aufgeführt worden war. Am meisten grämte sich Danielė, denn zur dritten Aufführung hatte sie bereits ihren aufgeblasenen Vetter geladen, einen Juristen, dazu einige, wenn auch nicht so nahe stehende Freunde. Aber tief verletzt und gedemütigt fühlte auch ich mich, rauchte eine Zigarette nach der anderen und trank Rubin , spiritierten Wein. Darüber ärgerte sich Danielė, und ich geriet noch mehr in Wut. Und tat gut daran, wie sich schon bald herausstellte!
Denn schon am nächsten Vormittag flatterte ich wie ein Vögelchen zurück nach meiner Vorstellung bei dieser schrecklichen Kommission. Ganz unerwartet für mich selbst, stellten die Militärärzte Hypertonie bei mir fest, übermäßig erhöhten Blutdruck! Natürlich, ein normaler Mensch hätte sich kein bisschen gefreut über diese vorläufige Diagnose: nervös verursachte hypertone Dystonie. So oder sehr ähnlich. Nur, war ich damals normal? Kaum. Allenfalls relativ gesehen, unter großen Vorbehalten. Die Welt hellte sich sofort auf, obwohl es noch zu früh war, sich zu freuen. Sie werden mich nicht nehmen, können mich doch nicht nehmen, wiederholte ich für mich und Danielė. Auch dem gerade nach erfolgreicher Operation aus dem Krankenhaus zurückgekehrten Brūklys hielt ich den Zettel mit der Überweisung unter die Nase. Und selbst der Komsomolführerin Hrasilda Giedriūtė, der ich auf der Straße begegnete: Hier, lies das, du Scheusal! Das »Scheusal« setzte ich freilich nur in Gedanken hinzu. Ich werde nicht dienen, und wenn ihr euch auf den Kopf stellt! Und nicht wegen dieser verdammten Hämorrhoiden, auf die du, Giedriūtė, sogar in deiner Rechenschaftsversammlung zweideutig angespielt hast, sondern aufgrund einer nervösen Hypertonie, die einer großen Anzahl von schöpferisch tätigen Menschen eigen ist, klar?! Aber schon aus meinem Mienenspiel las
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