Mobile Röntgenstationen - Roman
bei uns vorbeischauen müssen. Nur keine Panik, Sie sind zur rechten Zeit gekommen. Hier ist ein Merkzettel, lesen Sie sich den bitte durch. Für alle Fälle. Andernfalls kann es vorkommen, dass …
Als wir gingen, begriff Danielė erst richtig, was ihr widerfahren war. Sie schlug die Augen nieder und schien jeden Augenblick losheulen zu wollen. Aber sie beherrschte sich. Streckte sich nur hin und wieder und sah mir aufmerksam in die Augen. Aber auch jetzt schwieg sie. Vielleicht wollte sie nichts sagen?
Junger Mann – der Doktor hatte mich etwas zur Seite genommen. Es ist nicht an mir, Ihnen zu raten, wie Sie sich jetzt zu verhalten haben, ob Sie heiraten sollen oder nicht. Hier lächelte ich gequält, aber zugleich traurig. Nur müssen Sie wissen, dass auch Sie jetzt zur Risikogruppe gehören. Und damit ist nicht zu spaßen. Ungefähr so redete er, ohne einmal die Stimme zu heben. Ohne einen geradezu zu ängstigen, aber auch ohne billigen Trost.
Wir waren gerade in der Muziejus-Straße angelangt, als Danielė endlich der Kragen platzte und sie wütend losschimpfte:
So etwas will mir nicht in den Kopf, ich kann es nicht glauben! In unserer Verwandtschaft – merk dir das! – hatte nie jemand Schwindsucht! Ich weiß es! Niemand! Die lügen, die Halunken! Warum, hör mal, warum belügen sie uns? Vielleicht, weil sie nicht wollen, dass du mich heiratest, was? Dann lass es bleiben. Auch ich heirate dich nicht, niemals, du brauchst dich gar nicht zu bemühen.
Als hätte ich das jemals getan. So in Rage hatte ich Danielė noch nicht gesehen. Aus ihren Nüstern schienen Flammen zu sprühen. Voller Wut war sie und strotzte vor Gesundheit. Neben ihr fühlte ich mich wirklich als ein Kranker. Diese letzte, wahrhaft umwerfende Neuigkeit – sie hat einen Herd! Der sich ausweiten und Gefahr bringen kann. Wie ungerecht, dachte ich verbittert, ich hätte diesen Herd nötig gehabt, nicht sie! Wer würde Schwindsüchtige in die Armee nehmen? Ein Militärtribunal würde sie wegen bewusster Zersetzung der Wehrkraft verurteilen. Was für eine Ungerechtigkeit!
Da stapften wir nun zusammen durch den Regen, von der holprigen und schiefen Kedainiai-Straße in die Lydos-Straße, die ihr aufs Haar gleicht, und mir war schwer ums Herz. Wir gingen nebeneinander her und schwiegen. Danielė mit Herd, ich ohne. Dann zupfte sie mich unerwartet am Mantelkragen – gehen wir! Ich fragte nicht mal wohin, ihr Wille war jetzt heilig. Danielė durfte man nicht nerven. So landeten wir im Restaurant Sakalas , wo sie eine große Flasche Jugoslaviški Vinjak kaufte, mit diesem kleinen Amor auf dem Etikett; den in einer seiner Erzählungen Mikelinskas so schön politisierte und dafür von den literarischen Politruks Prügel bezog. Aber macht nichts, Hauptsache, die Erzählung ist erschienen. Sie kaufte also den Weinbrand, dazu noch Schokolade, einer Kranken soll man nicht vorschreiben, was sie sich aussucht. Wir werden feiern, sagte sie noch. Ich hatte keine Ahnung, was sie damit meinte. Erst nach dem dritten Glas – diesmal waren wir allein, ohne den hinter der Wand hustenden Brū-klys, der nur allzu gut spürte, was wir trieben – begann Danielė zu sprechen, langsam, jedes Wort abwägend. Wie aus einem Buch entnommen, das sie unlängst gelesen hatte, eine Heldin von Patricia Holman oder aus S. Kjūzeks Roman Sag dem Tod »Nein«. Es war nicht angenehm, sie anzusehen. Ich hatte nicht geglaubt, dass Danielė so sein konnte. Sie habe sich entschlossen, mich zu verlassen, freiwillig. Um mir die Mitleidstour zu ersparen. Und damit ich nicht auf die Idee käme, sie aus diesem verdammten Mitleid heraus zu heiraten. Sie sei kein Kind und wisse, was sie sage. Und außerdem, fügte sie hinzu, liebst du mich in Wirklichkeit gar nicht. Du hast dich an mich gewöhnt, wir beiden hatten uns aneinander gewöhnt, trink aus. Es ist alles in Ordnung. Wir werden schon nicht untergehen. Selbst wenn sie dich zur Armee nehmen, gehst du nicht unter. Ich werd dir Zigaretten schicken, Speck, dazu noch Literatur und Kunst. Vielleicht erhoffte sie sich eine heftige Reaktion von mir? Ich widerlege – wie kannst du es wagen?! – alle ihre naiven Behauptungen, und am nächsten Tag geben wir Erklärungen ab. Liebes- und Krankheitsgeschichten. Danielė war wirklich nicht weinerlich veranlagt, aber solche Neuigkeiten konnten auch Stärkere erschüttern. Wer würde ihr, die schon bald Blut husten würde, erlauben, Kinder zu unterrichten? Allenfalls junge Schwindsüchtige
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