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amüsiert die leicht tanzenden Figuren. Schli eßlich schob er das Bett an seinen angestammten Platz zurück und achtete darauf, dass die vier Beine wieder genau auf den Druckstellen standen, die sie bereits im Teppich hinterlassen hatten.
Samstag, 20. April
D er Tag war knapp zwei Stunden jung, als sich Joachim von dem zweiundneunziger Salice Salentino nachschenkte. Der Besuch war gerade gegangen und die Wohnungstür noch nicht ganz ins Schloss gefallen, als Carola mit den Worten »Lass alles stehen, wir räumen morgen auf« und einem besonders auffälligen Gähnen ins Schlafzimmer verschwunden war, was so viel bedeutete wie Versuch-es-besser-gar-nicht-erst!
In der Docking Station steckte Joachims iPhone. Er wählte eine Musikdatei aus und stellte die Lautstärke herunter, dimmte das Licht und setzte sich in den Sessel, legte die Füße auf den Wohnzimmertisch. Er lauschte der Musik, nippte ab und zu an seinem Glas und verlor sich schon bald in Gedanken. Doch es dauerte nicht lange, als Joachim von einer plötzlichen Unruhe, die ihn überkam, aus seinen Träumereien gerissen wurde.
Was war los?
Joachim lauschte, doch er hörte nichts weiter als die Musik.
Dennoch: Etwas stimmte nicht.
Er stand er auf und verließ das Wohnzimmer, schaltete das Flurlicht an und lauschte.
Nichts. Selbstverständlich nicht.
Doch vielleicht sollte er nach Daniel sehen.
Joachim ging leise in Daniels Zimmer. Die Flurbeleuchtung warf ausreichend Licht durch die geöffnete Zimmertür, er konnte das tief schlafende Baby gut sehen. Joachim beugte sich über das Gitter des Kinderbettes und hauchte seinem Sohn einen Kuss auf die Stirn. Liebevoll betrachtete er ihn für einige Augenblicke. Er musste daran zurückdenken, wie Carola ihm vor etwas mehr als einem Jahr gesagt hatte, dass sie erneut schwanger sei. Eigentlich hatten sie kein zweites Kind gewollt. Niklas war aus dem Gröbsten raus und mit jedem Jahr, das verging, entfernten sie sich mehr von dem Gedanken an ein zweites Kind, doch Carola vertrug die Pille nicht und so geschah es gelegentlich, dass sie nicht verhüteten und sich darauf verließen, dass nichts passierte. Bis es dann doch passierte. Die Freude über die Schwangerschaft und auf das Kind wollte sich bei Joachim nicht recht einstellen, doch er tat alles, damit Carola glaubte, er könne es kaum erwarten, erneut Vater zu werden. Tatsächlich empfand Joachim das Timing als denkbar schlecht. Der Senior des Unternehmens, für das er arbeitete, hatte ihm gerade erst den Vorschlag unterbreitet, in drei Jahren seine Nachfolge anzutreten. Joachims Motivation und sein Ehrgeiz waren förmlich in die Höhe geschossen, und das Letzte, was er nun gebrauchen konnte, war ein zweites Kind. Doch das alles war vergessen, als er Daniel schließlich zum ersten Mal in den Armen hielt. Er liebte dieses winzige Kind mit einer plötzlichen Wucht, die er nicht für möglich gehalten hatte.
Joachim atmete tief ein. Er empfand die Luft im Raum als verbraucht und beschloss, für eine Minute das Fenster zu öffnen. Die Nacht war ungewöhnlich mild für die Jahreszeit, dem Jungen konnte nichts passieren.
Joachim zog das Rollo hoch und öffnete das Fenster. Er setzte sich auf den Fußboden und betrachtete zwischen den Holzgitterstäben hindurch seinen Sohn. Es würde nicht lange dauern, bis Daniel die ersten Schritte ging, die ersten Worte sagte. Die Zeit flog dahin, das hatte Joachim bei Niklas erlebt, dabei schien es erst vor wenigen Wochen gewesen zu sein, dass Niklas noch so klein und hilflos gewesen war wie Daniel es jetzt war.
Plötzl ich wimmerte Daniel. Seine Atmung ging unregelmäßig. Er schien schlecht zu träumen. Joachim war kurz unentschlossen, dann entschied er, den Jungen liegen zu lassen. Daniel würde schon gleich wieder ruhiger schlafen.
Mit einem Mal seufzte Daniel auf. Sein Kopf zuckte hin und her, sein Mund öffnete und schloss sich immer wieder. Doch die Augen waren geschlossen, Daniel schlief noch immer.
»Pssst«, sagte Joachim und strich seinem Sohn ganz behutsam über die Wange. Es schien den Jungen tatsächlich zu beruhigen. Rund zwei Minuten vergingen, dann war Daniels Schlaf wieder vollkommen ruhig.
Ohne d en Blick von seinem Kind zu nehmen, stand Joachim auf. Aus den Augenwinkeln entdeckte er an der Wand über dem Kopfende des Bettes einen unruhigen Schatten. Er erschrak, fuhr herum und sah in Richtung der offenstehenden Zimmertür. Doch dort war nichts zu sehen. Dann blickte Joachim an die Zimmerdecke und
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