Model-Ich (German Edition)
gut, guck doch nicht immer so böse.« In einem Geschäft, das auf Oberflächlichkeit basiert, kann einen das schnell runterziehen.
Bei dem Casting von Helmut Newton war ich schon eine Weile Model und hatte Erfahrung darin, enttäuscht zu werden. Ich bekam auch diesen Job nicht. Zumindest hatte ich Helmut Newton einmal kennengelernt und ein paar nette Worte mit ihm gewechselt. Mir riet er übrigens nicht dazu, noch ein paar Kilo zuzunehmen. Natürlich war ich enttäuscht, dass es nicht geklappt hatte, aber nach einem Schulterzucken war es vergessen. Ich hatte mich daran gewöhnt.
In meinen ersten Jahren als Model wollte ich noch fast jeden Tag aufgeben. Ich fühlte mich nicht mal wie ein Model, dazu hätte ich arbeiten müssen. Es gab für mich aber auch keine echte Alternative. Studieren – aber was? Ausbildung – aber wozu? Wäre mir etwas Sinnvolles eingefallen, hätte ich das Modeln gelassen. Und wäre da nicht dieses ständige Versprechen von Bookern und Agenturen gewesen, dass ich es eines Tages schaffen würde.
Die wenigsten Models beschließen von sich aus, Model zu werden. Sie werden auf der Straße angesprochen, eine Freundin schickt ein Foto von ihnen bei einem Wettbewerb ein, ein Typ im Club sagt: Du siehst aus wie ein Model!
Wenn man schon wie eines aussieht, dann muss man doch versuchen, eins zu sein. Und es gibt genügend Mädchen, die es können. Die keine Unsicherheiten haben oder sie gut verbergen können, es genießen von Ort zu Ort zu jetten und die unermüdlich jede Party mitnehmen (was, ganz nebenbei, der Karriere nicht unbedingt förderlich ist). Es gibt genauso viele Mädchen, die sich in dieser Welt nicht so gut zurechtfinden.
Obwohl man ständig von Menschen umgeben ist, entstehen wenige echte Verbindungen. Es wird einem leicht gemacht, sich zurückzuziehen. Gerade während der Schauen will man einfach seine Ruhe. Wenn den ganzen Tag hundert Leute an einem herumgezerrt haben, möchte man abends bloß die Tür hinter sich zumachen und an die Wand starren. Oder mit den Liebsten zu Hause telefonieren. Selbst denen kann man nicht immer erklären, wie einem zumute ist. Sie sind drei Länder weit entfernt, die Telefonverbindung ist schlecht, man ist in einer anderen Zeitzone und zu erschöpft zum Reden. Ich habe mehr Abende mit einer Tüte von McDonald’s alleine in einem Pensionszimmer verbracht, als ich zählen möchte.
Es gibt andere Berufe, für die man viel reist und dabei einsam werden kann. Ich glaube auch nicht, dass einen der Beruf an sich krank macht. Wenn man aber empfindsam ist und sich viel hinterfragt, ist er sicherlich nicht förderlich für die Gesundheit. In den letzten Jahren gab es immer wieder Schlagzeilen über Models, die sich umgebracht haben. Immer wurde darin das gnadenlose Geschäft mit den Mädchen angeprangert. Ich kannte weder Ruslana Korschunowa noch Daul Kim persönlich. Ich glaube trotzdem, dass die Gründe für ihre Selbstmorde nicht die gleichen waren. Jeder Mensch tickt anders und nicht alle Models sind gleich. Ich hatte Dauls Blog eine Zeit lang gelesen und darin wirkte sie wie eine sehr reflektierte Person, die viel darüber nachgedacht hat, was ihr der Beruf bedeutet und was er aus ihr macht. Viel Wert hatte er für sie, glaube ich, nicht. Es macht einen nicht zu einem geringeren Menschen, ein Model zu sein. Aber es ist auch kein Beruf, der Selbstzweifel zerstreut.
Man bekommt Kritik meist ungefiltert ab. Lob dafür auch. »Du siehst nicht gut aus« – »Du bist so schön! Ich liebe deine Augen!« Zwischen diesen zwei Extremen bewegt sich die Branche. Mich macht beides gleich skeptisch. Die Kritik lässt zweifeln, ob man im richtigen Job ist. Wird man ständig gelobt, hinterfragt
man die Urteilsfähigkeit der Leute, die einen umgeben. Ehrlich, so toll kann kein Paar Beine sein.
Es ist wohl nur menschlich, dass man sich doch irgendwann an die Komplimente gewöhnt und gerne im Mittelpunkt steht. Alle kümmern sich um einen und man selbst muss sich um nichts kümmern. Ich muss gestehen: Als ich bei meiner New Yorker Agentur Women von den Newcomern in die Sparte der etablierten Models wechselte, hielt ich mich auch plötzlich für was Besseres. Sechs Monate später hatte die Agentur einen neuen Investor, nach dessen Kalkulation ich nicht profitabel genug war – und ich war raus. Eine meiner Bookerinnen, mit der ich mich wirklich gut verstand, musste mir den Rausschmiss per Telefon mitteilen und wir haben beide die ganze Zeit dabei geheult. Mein alter
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