Moderne Piraten
Schlummer brachte?
Damals, als er nach jenem Unfall in Kairo im Hospital lag, als die Schmerzen Tage und Nächte hindurch nicht weichen wollten, hatte er die befreiende Wirkung dieses Mittels zuerst schätzen gelernt. Und dann – wie war’s später gewesen? Die zweite Dosis des Mittels begann zu wirken. Verschwunden waren die Schmerzen, und traumhaft wurden Gransfields Gedanken. Als er wieder in sein Haus hier nach Syult zurückgekehrt war, als die Schmerzen in längeren oder kürzeren Pausen immer wieder auftraten, war’s nicht Megastopoulos gewesen, der ihm die Wege wies, wie man das unentbehrliche Mittel auch ohne die Hilfe der Ärzte erhalten könne, Megastopoulos, der damals mit ihm zusammen im Hospital gelegen hatte?
Noch während er an den Namen dachte, trat der Boy auf die Veranda. Erst als er sich durch ein stärkeres Geräusch bemerkbar machte, gewahrte ihn Gransfield. »Was gibt’s Himati?«
»Ein Besuch, Sahib. Der griechische Herr, der öfter hier war.« Er reichte seinem Herrn die Besuchskarte.
Dieser überflog sie. Megastopoulos? Hatte er nicht eben erst an den Mann gedacht? Wie eigenartig, daß er im gleichen Augenblick hierher kam! Auf seinen Wink führte der Boy den Besucher auf die Veranda.
Es war eine mittelgroße Gestalt, mit blauschwarzem Haar und dunkelgelber Gesichtsfarbe, der Typus des asiatischen Griechen, in dessen Adern das Blut vieler Völkerschaften sich mengt. Er trug einen grauen Sakkoanzug nach modernstem Londoner Schnitt, Lackstiefel und Gamaschen an den Füßen; die Brillantringe an den Fingern waren etwas zu protzig, das schmale Gesicht war von einem schwarzen Spitzbart umrahmt.
»Willkommen, Herr Megastopoulos! Wollen Sie dem Boy klingeln, daß er Ihnen eine Erfrischung bringt!«
Der Grieche ließ sich geschmeidig auf einem Sessel nieder, während seine brennenden Augen schnell durch den Raum glitten und kurze Zeit an der Statuette des Sethos hafteten. »Ich komme von Assuan«, sagte er in ziemlich fließendem Deutsch, »und wollte nicht durch Syut fahren, ohne Ihnen meine Aufwartung zu machen. Von Ihrem Boy hörte ich, daß es Ihnen gar nicht recht nach Wunsch geht, mein lieber Freund.«
Ein leiser Zug der Abwehr glitt bei den Worten des Griechen über Gransfields Züge. Die Betonung einer Freundschaft ging ihm gegen den Strich. Das ganze Gebaren – katzenfreundlich nannte er es bei sich – war nicht nach seinem Geschmack. Aber – leider – er brauchte den Mann, um in den Besitz des Mittels zu kommen, das ihm über seine Leiden hinweghalf. Er griff nach der Glocke und befahl dem Boy, Soda und Whisky für seinen Gast zu bringen.
Der Grieche zündete sich eine Zigarette an. Während er den Rauch durch die Lippen stieß, sprudelte er eine Fülle von Worten heraus, fragte nach dem Fortgang der Bewässerungsarbeiten und erkundigte sich, ob Gransfield in letzter Zeit die Baustellen besucht habe. Dabei hüllte er sich in dichten Zigarettenqualm. Gransfield konnte seine Blicke nicht sehen, die in unverhohlener Gier an der Statuette des Sethos hingen.
Langsam und unzusammenhängend beantwortete der Chefingenieur die Fragen seines Gastes. So wohlig, so müde fühlte er sich. Schlafen! Lange traum- und schmerzlos schlafen! Wie dumm, daß der Besuch ihn daran hinderte! Kaum wußte er noch, was er auf dessen Rede erwiderte. Mühsam suchte er die Worte zu irgendeiner Antwort zusammen, während seine Gedanken ganz woanders wanderten. Megastopoulos, der griechische Kunsthändler, hatte der ihm nicht immer die Statuette abkaufen wollen, das Kunstwerk, das ihm um keinen Preis feil war? »Die Statuette des Sethos, ich verkaufe sie niemals! Mein Neffe soll sie einmal …« stieß er unvermittelt hervor.
»Mein lieber Freund, ich bitte Sie, niemand will sie Ihnen nehmen.« Wie durch einen Schleier hörte Gransfield die Worte des Griechen.
»Ich verkaufe sie nicht«, wiederholte Gransfield automatisch.
»Mein lieber Freund, Sie sind sehr angegriffen. Gestatten Sie, daß ich Ihnen etwas Soda mit Whisky mische! Das wird Sie erfrischen.«
Mit geschickter Hand mischte Megastopoulos die Flüssigkeiten. Einen Augenblick glitt seine Rechte in die Tasche. Als er sie wieder über das Glas hielt, fiel weißes Pulver hinein. Mit einem Teelöffel verrührte er den Trank und trat mit dem Glase zu Gransfield. »Trinken Sie, mein Freund! Es wird Ihnen guttun.« Er brachte das Glas Gransfields Lippen und zwang ihn mit sanfter Gewalt, es bis auf die Neige zu leeren.
Mit einem tiefen Seufzer
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