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Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady

Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady

Titel: Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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stand auf, um sich einzuschenken. «Sie haben verdammt mehr Gespür, vermute ich. Wir wissen zwar, was alles passieren könnte, aber in Wirklichkeit glauben wir nicht dran. Eine Frau aber kann lebhaft vor sich sehen, was ihr zustoßen kann. Deshalb macht Modesty ein bißchen Yogazeugs, um ihre Phantasie abzutöten.
    Sie weiß, daß sie, wenn sie mit Angst eine wüste Sache angeht, aufgeschmissen ist. Sie wird vielleicht zögern, vielleicht gerade nur im falschen Augenblick zurückzucken, Angst vor einem Messerstich haben oder plötzlich die Pistole nicht abdrücken können. Ohne Angst aber hat sie eine um fünfzig Prozent größere Chance, und das weiß sie.»
    Hagan staunte. Sein unvernünftiger Zorn hatte sich gelegt. Etwas anderes nagte an ihm, aber er wußte im Augenblick nicht, wo er es hintun sollte.
    «Sie hat Yoga studiert – dafür?» sagte er.
    «Sie hat sich ein bißchen damit befaßt. Gerade nur mit der praktischen Seite. Aber ihren eigenen Weg hat sie schon vorher entdeckt. Es war ihr sozusagen angeboren. Sie war schon immer imstande, Dinge aus ihrem Geist auszuschalten, aber Yoga hilft.» Willie leerte sein Glas und stellte es nieder. «Wußtest du, daß sie zweimal vergewaltigt wurde?»
    «Was?!»
    «Das erste Mal war sie ungefähr zwölf Jahre alt. Irgendein Bauer bei Baalbek. Als sie sich nicht länger wehren konnte, machte sie sich bewußtlos. Eine selbst herbeigeführte Ohnmacht, glaube ich, könnte man’s nennen. Das zweite Mal war sie zweiundzwanzig. Das war, als wir in eine ziemlich üble Geschichte in Beirut gerieten.»
    «Es … hat ihr nichts anhaben können.» Es war eher eine Feststellung als eine Frage.
    «Sie wurde bewußtlos. Sie hat nie etwas davon gewußt. Aber das ist eben das, was ich meine, Freundchen. Auch das ist etwas, das bei einer Frau etwas anderes ist. Etwas, das uns ja nicht passieren kann.» Er ging zum Fenster und schaute hinaus. «Falls man nicht den guten alten Lawrence von Arabien mitrechnet», fügte er hinzu, leicht überrascht von diesem plötzlichen, zufälligen Gedanken. «Was ist mit dem Mann geschehen – dem zweiten?»
    «Ich habe mich später hinter ihm hergemacht und ihn erledigt.» Willie schüttelte kläglich den Kopf. «Modesty hat mir dafür einen richtigen Wirbel gemacht.
    Sagte, sie mag es nicht, daß ich nur wegen persönlicher Rache unnötiges Risiko eingehe. Rache schätzt sie nicht sehr, und ich auch nicht. Aber ich konnte diesen Schurken einfach nicht herumlaufen und sich brüsten lassen, daß er sie gehabt hat.»
    Hagan starrte in sein Glas und versuchte sich zurechtzufinden. Plötzlich erstarrte er. Das Verborgene, das im Hintergrund seines Bewußtseins an ihm genagt hatte, war an die Oberfläche getaucht.
    «Eine wüste Sache», sagte er und ging zu Willie hinüber. «Zweimal hast du das jetzt schon gesagt. Aber wir sind doch mit diesem Job in einer Sackgasse gelandet, warum also möbelt sie sich für einen Wirbel auf?»
    «Das wirst du Modesty selbst fragen müssen», sagte Willie höflich. «Sie ist es, die bei diesem Job am Steuer sitzt.»
    «So – wirklich?» Hagan hörte es selbst, wie hämisch seine Stimme klang. Er stellte das Glas nieder und ging durch die Küche in den Garten hinaus. Während er auf einer Bank in der Sonne saß und wartete, bis sein Zorn verraucht war, versuchte er, sich über sich selbst klarzuwerden.
    Er spürte die warme Sonne auf sich ruhen und dachte an seine Farben und seine Leinwand und an Modesty Blaise. Sein Künstlerauge hatte die schlanken, klaren Kurven ihres Körpers seinem Gedächtnis eingeprägt, die Beschaffenheit ihrer Haut, die Wärme ihres Fleisches, wenn sie in seinen Armen kämpfte und nachgab. Er erinnerte sich an Hunderte Kleinigkeiten der letzten Tage; die Haltung ihres Kopfes, wenn sie nachdachte, das plötzliche, seltene Lächeln; ihre Art, mit der Innenfläche des Handgelenks eine Haarsträhne zurückzustreichen; die kleinen Vasen, die in jedem Zimmer standen, gefüllt mit Wiesenblumen, die sie abgeschnitten hatte.
    Plötzlich konnte es Hagan nicht glauben, daß das alles Facetten ein und derselben Frau waren, der Frau, von der Willie gesprochen hatte, der Frau, die das «Netz» geleitet hatte; die erst vor einigen Tagen einen Mann mit eigenen Händen auf dem alten Marktplatz von Antibes getötet hatte; dieselbe Frau, die ihn mit Willie zusammen ausgesandt hatte, Pacco zu töten, und die in den letzten Tagen sich und die beiden Männer unnachgiebig auf die Suche nach einer Spur getrieben

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