Modesty Blaise 01: Die tödliche Lady
er endlich.
«Verzeihung, Sir.» Boyd wurde rot, und zu Frasers Entzücken trat er doch tatsächlich unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. «Sie wollten, daß ich Sie daran erinnerte, daß der Anruf Sir Geralds aus Tel Aviv in fünf Minuten durchkommt.»
«Danke, Boyd.» Fraser ließ seinen Zornanfall abklingen und strahlte den verblüfften Mann verschmitzt an.
«Sie scheinen Ihre Pflichten ganz prächtig zu begreifen.»
Als Boyd draußen war, zündete sich Fraser eine Zigarette an und wandte sich wieder dem Bericht zu.
Eine verflucht schummrige Sache. Es war elf Tage her, daß das Blaise-Mädchen und Garvin aus Biot verschwunden waren. Zwei Tage später waren sie in Rom aufgetaucht; und dem Mann zufolge, den die Abteilung dort sitzen hatte, waren sie mit Sacchi in Kontakt getreten, von dem man vermutete, daß er ein wichtiges Mitglied der Mafia war. Sie hatten Rom sechs Stunden vor dem Eintreffen Tarrants und Hagans verlassen. Der nächste Bericht stammte aus Athen, wo man sie im
Hilton
mit Ypsilanti speisen sehen konnte. Ypsilanti war der reichste Hehler auf dem Balkan. Von Athen waren sie nach Beirut und dann nach Haifa gegangen.
Der Alte, überlegte Fraser, geriet allmählich immer stärker ins Hintertreffen. Modesty Blaise und Garvin hatten Haifa vor sechsunddreißig Stunden verlassen.
Fraser sah dem Anruf mit Genuß entgegen, den Tarrant von der Botschaft in Tel Aviv aus machen wollte; sie konnten den Apparat zum Verzerren des Telefongesprächs nicht benützen, also würde es teils in dem feststehenden Code, teils in frei erfundener Verschlüsselung geführt werden müssen. Das Telefon neben ihm läutete. Er hob den Hörer ab und hörte Tarrants Stimme: «Bist du’s, Jack?»
Fraser schraubte seine Stimme etwas höher und sagte: «Ja, Daddy. Ist deine Reise schön?»
Es gab eine Pause, bevor Tarrant herzlich erwiderte:
«Sie ist nicht schlecht, danke, mein Sohn. Ein bißchen anstrengend. Ich mache mir Sorgen um Tantchen Pru und den jungen Willie. Wie geht es ihnen?»
«Nun ja, Daddy, bei uns haben sie sich nicht gerührt. Aber heute kam ein Brief von Onkel Bert, in dem er schreibt, daß sie gut in Blackpool angekommen sind.» Seine Augen wanderten schnell zu der Codekarte. Ja, Blackpool war Kairo.
«Blackpool», sagte Tarrant. «Aha. Oh, übrigens, ich wollte mir das Boot für dich anschauen, Jack, aber es war schon weg.»
«Das Boot von Gabby?»
«Ja.»
Fraser kicherte. «Vielleicht hat Tantchen Pru ein bißchen was für ihn übrig und hat ein Rendezvous mit ihm in Blackpool – was meinst du?»
«Ich glaube kaum, daß er ihr Typ ist.»
«Das kann man nie wissen. Und er hat gute Aussichten. Hast du eine Ahnung, Daddy, wie lange du noch zu deiner Dienstreise brauchen wirst?»
«Das weiß Gott allein. Ist daheim alles in Ordnung? Keine Probleme?»
«Himmel, nein. Wir kommen großartig zurecht.»
«Na, dann ist’s ja gut. Ich rufe dich bald wieder an.
Schicke dringende Post an unser Büro in Blackpool, damit man sie dort behandelt.»
«In Ordnung. Adieu, Daddy.»
Fraser legte den Hörer auf die Gabel. Er lehnte sich zurück und dachte eine Weile nach, dann fluchte er leise. Es gefiel ihm nicht, wie die Dinge liefen. Es gefiel ihm ganz und gar nicht. Ihr Mann in Kairo, Albert Alexandrou – Onkel Bert –, war ein sehr guter Agent.
Fraser war froh darüber. Es sah ganz danach aus, daß Tarrant alle nur mögliche Hilfe brauchte.
Das Fenster des großen Pontiac Convertible war offen.
Modesty Blaise nahm das Fernglas von den Augen und reichte es Willie. Er blickte über den Hafen von Port Said, wo etwa ein Dutzend Schiffe vor Anker lagen, unter ihnen eine elegante weiße Yacht, umgebaut aus einem ehemaligen deutschen Unterseeboot, 37 Meter lang, mit zwei 950-PS-Dieselmotoren.
Durch das starke Fernglas konnte Willie den Namen
Mandrake
am Bug lesen. Er betrachtete eingehend das halbe Dutzend Menschen auf Deck. Zwei saßen in Deckstühlen, einer lehnte an der Reling. Zwei weitere übten mit einem Medizinball, wobei der eine den schweren Ball so warf, daß er den Bauch des anderen treffen sollte. Willie sah, daß die Gestalt des Fängers eine Frau in einem kurzärmeligen Männerhemd und in Hosen war und helles Haar hatte. Am Bug stand eine Männergestalt allein, die Hände auf dem Rücken, und blickte zur Küste.
Willie ließ das Glas sinken. «Da liegt sie also, Prinzessin. Genau an der Stelle, an der die Sache nicht unternommen werden kann.»
«Das ist typisch für Gabriels planen»,
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