Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
machen Sie nicht soviel Aufhebens davon.»
Jetzt war Tarrant verlegen. Er nahm die Brieftasche und steckte sie ein. «Sie macht mich fertig», rief Willie heftig. Er setzte sich auf das Sofa und faßte Lucille freundschaftlich an den Schultern. «Hör mal, meine Liebe. Ich habe dir
gesagt
, du sollst das nie wieder tun; Modesty sagte dir das gleiche. Du warst während der letzten Wochen ein so braves Mädchen – warum gehst du her und zerstörst wieder alles?»
«Ich wollte es gar nicht tun, Willie.» Ihre kleinen Finger zupften Willies Krawatte zurecht, und Tarrant staunte über die Frau in ihr. Sie schnupfte auf und wischte mit der Hand über die Augen. «Aber er ist so ein Typ … verstehst du? So ein …» Sie suchte nach einem Ausdruck, sagte dann ein oder zwei Worte auf arabisch und fügte hinzu: «Wie ein englischer Tourist, Willie.»
«Sage niemals, jemand sei ein englischer Tourist», ermahnte Willie hastig und warf Tarrant abermals einen entschuldigenden Blick zu. «Das ist eine Beleidigung, hörst du? Auch wenn er wirklich ein englischer Tourist
ist
.»
«Was sagte sie auf arabisch?» fragte Tarrant fasziniert.
«Oh, sie … hm … sie sagte, Sie seien ihr als ein leichter Fall erschienen.» Er wandte sich wieder Lucille zu. «Du weißt, daß ich dich dafür versohlen sollte.»
«Ja.» Lucilles Stimme zitterte.
«Und du weißt auch, verd–» Willie unterdrückte die in seiner Stimme aufklingende Wut, «… du weißt sehr gut, daß ich das nicht tue. Also laß die Krokodilstränen sein. Ich bin Willie, vergiß das nicht. Ich weiß Bescheid.»
Die Tür von Modestys Schlafzimmer öffnete sich.
Sie trat heraus, eine Wildlederjacke und ein Kopftuch über dem Arm. Nichts an ihr ließ Tarrant erkennen, ob sie die Situation durchschaute.
«Ich bin fertig», sagte sie. «Wo ist Weng?»
Der junge chinesische Hausboy kam aus der Küche.
Er hatte die weiße Jacke, die er gewöhnlich im Hause trug, abgelegt und einen hellgrauen Anzug angezogen.
«Hier, Miss Blaise.»
«Es wäre besser, wenn du jetzt schon mit Lucille weggingst, Weng. Du kannst den Daimler Dart nehmen. Sieh zu, daß du zur Fütterungszeit bei den Seelöwen bist, wenn die Wärter ihnen die Fische zum Aufschnappen zuwerfen. Das wird Lucille gefallen.»
«Jawohl, Miss Blaise.» Weng grinste Lucille an. «Und wollen Sie bitte bestimmen, was sie nachmittags tun darf, damit es zu keinen Streitereien kommt?»
Modesty warf Willie einen fragenden Blick zu.
Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar und zuckte hilflos die Achseln. «Du verstehst das besser als ich, Prinzessin», meinte er.
Modesty zog amüsiert einen Mundwinkel hoch, dann sah sie auf Lucille herab, die sich vor sie hingestellt hatte. «Nun, Liebling, hör mir zu. Wenn du vom Essen im Zoo zurückkommst, wird dich Weng in die Schwimmhalle im Haus hinunterbringen. Dann kannst du dich vor meinem Ankleidetisch mit meinen Makeup-Utensilien unterhalten und, falls du Lust hast, das Kinderprogramm im Fernsehen angucken. Am Abend schreib einen Brief an Mutter Bernard, und dann darfst du noch eine Stunde fernsehen. Aber um halb zehn Uhr bist du im Bett, und kein Herumfeilschen mit Weng, verstanden?»
«Ja, Modesty.»
«Ja, noch etwas. Sieh deine Kleider durch und schau, ob du noch etwas brauchst, bevor du zur Schule zurückgehst. Du hast nur mehr vier Tage.»
«Ist gut; ich werde es tun.»
Modesty beugte sich zu ihr hinab.
Lucille küßte sie auf die Wange, dann ging sie zu Willie und verabschiedete sich von ihm auf die gleiche Weise. Schließlich reichte sie Tarrant artig die Hand und sagte: «Es war sehr nett, Sie kennenzulernen, Sir Gerald.»
«Äh … sehr nett», erwiderte Tarrant erleichtert und machte sich nichts daraus, daß er schon wieder ‹äh› gesagt hatte. «Leb wohl, Lucille, und unterhalte dich gut.»
In der Tiefgarage des Apartmenthauses holte Tarrant aus dem Rover, den er seit vier Jahren fuhr, seine Golfschläger und verstaute sie in dem offenen Rolls-Royce von Modesty. Sie setzte sich mit ihm in den Fond.
Willie glitt hinter das Lenkrad und fuhr den Wagen lautlos die Rampe hinauf. Als sie sich der Kolonne in der Bayswater Road angeschlossen hatten, öffnete Modesty ein Fach, nahm daraus ein Kistchen PunchPunch-Claro-Zigarren und bot sie Tarrant an.
«Meine Liebe», sagte er, während er sich bediente, «Sie verwöhnen mich.»
«Ich versuche bloß, Sie ein bißchen außer Atem zu bringen, damit ich Sie beim Golf leichter schlagen kann.» Sie brach ein
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