Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits
sagte Liebmann. «Aber unsere Kartei gibt keinen Hinweis, welchen wir hier ansetzen könnten.»
Karz blickte ihn an. «Sofort eine Meldung an den 1. Offizier vom Sicherheitsdienst. Er ist angewiesen, die Auswahl und Überprüfung aller übrigen Kandidaten seinen vier Assistenten zu übertragen. Er selbst hat sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, Blaise und Garvin zu sichern, und zwar so, daß er sie völlig in die Hand bekommt. Berichte über den Fortschritt der Bemühungen wünsche ich alle 72 Stunden.»
Liebmann hielt das alles auf einem Notizblock fest.
«Wenn die Sache glattgeht, wünschen Sie, daß die beiden dem Tauglichkeitstest unterworfen werden, Karz?» Karz erhob sich und sah Liebmann mit kalten Augen an. «Ich nehme keinen Kommandeur auf bloße Gerüchte hin, Liebmann», entgegnete er und verließ das Zimmer.
2
Sir Gerald Tarrant betrat die Halle des großen Wohnblocks an der Nordseite des Parkes. Der Portier hinter dem geschwungenen Empfangspult aus poliertem Mahagoni blickte auf.
«Ah, guten Morgen, Sir. Miss Blaise sagte, daß Sie kommen würden. Wollen Sie sich bitte gleich weiterbemühen?»
«Danke.» Tarrant ging auf den kleinen Privatlift zu, der zu der Dachgartenwohnung hinaufführte. Sobald sich die Türen, geschlossen hatten, entspannte er sich ein wenig.
Er hatte eine schlechte Woche hinter sich. Eine Woche voll kleiner Fehlschlage und enttäuschter Erwartungen. Eine Woche, die vergangene Nacht in jenen gewissen Nachrichten gipfelte, die er so sehr fürchtete. Aber wie er es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, verdrängte er die Erinnerung an diese Woche und zwang sich, nur noch an den vor ihm liegenden Tag zu denken.
Es war Sonntag. Er trug eine gutsitzende grüne Sportjacke, Kordhosen, von denen er wußte, daß sie altmodisch weit waren, und feste Golfschuhe. Im lautlos hochschwebenden Lift stieg ein Gefühl froher Vorahnung in ihm auf. Er hatte diesem Tag mit größter Neugier, aber auch mit einer Spur Besorgnis entgegengesehen, denn heute würde er etwas zu sehen bekommen, worauf er schon lange erpicht war.
«Besuchen Sie mich nächsten Sonntag nach dem Frühstück», hatte Modesty Blaise gesagt, als er mit ihr in Ascot von der Loge des jungen Fareham zum Sattelplatz hinunterging. «Willie Garvin wird da sein, und wir fahren dann hinüber zum Riverside Club auf neun Löcher und danach zum Essen in die ‹
Tretmühle
›.»
The Treadmill
war ein Lokal, das Willie Garvin gehörte. Er hatte es gekauft, weil er hoffte, sich damit das Seßhaftwerden zu erleichtern. Es hatte sich jedoch als schwacher Anker erwiesen. Soviel Tarrant wußte, hatte Willie Garvin die letzten drei Monate damit verbracht, für eine nicht konzessionierte Schürf-Gesellschaft in Kanada Luftaufnahmen zu machen.
Tarrant war über die Einladung sehr erfreut. Nachdem er sich bedankt hatte, meinte Modesty Blaise noch: «Willie kann Sie am Nachmittag zum Fischen mitnehmen. Er hat ein Fischwasser dort. Oh, und dann wollen wir in seinem Bau hinten etwas ausprobieren.
Wenn Sie zusehen wollen?»
Sie trug ein Kostüm aus eisblauer Rohseide und einen Hut aus rosa Chiffon. Sie wirkte sehr damenhaft und schien sich in der eleganten Welt völlig zu Hause zu fühlen. Er beobachtete sie, wie sie die Pferde vor den Stallungen musterte.
Und dann hatte er mit schlichter Aufrichtigkeit gesagt: «Ich bin nicht sicher, Modesty, ob es mir gefallen wird – aber ich würde es nur ungern versäumen.»
Er kannte Willies Bau hinter der ‹
Tretmühle
›. Es war ein langgestrecktes, niedriges, fensterloses und schalldichtes Gebäude aus Ziegeln. Tarrant hatte einmal das Privileg genossen, dieses unheimliche Gebäude betreten zu dürfen, und er wußte, daß er der einzige Mann war, dem das je gestattet worden war.
Heute würde er noch unheimlichere Dinge sehen.
Der Lift verlangsamte das Tempo. Die Türen öffneten sich zu einer großen, mit Fliesen ausgelegten Halle, die von einer schmiedeeisernen Balustrade abgeschlossen wurde. Von hier führten drei Stufen zu dem riesigen Wohnzimmer hinunter, dessen Glasfenster vom Boden bis zur Decke reichten.
Angenehm berührt, sah sich Tarrant um. Es bereitete ihm immer wieder Vergnügen, diesen Raum zu betreten, in dem verschiedene Stile mit glücklicher Hand gemischt waren. Während er die drei Stufen hinabstieg, kam Modesty Blaise durch die Glastür herein, die zu der langen, L-förmigen Terrasse führte.
Ihr schwarzes Haar war zu einem Knoten auf dem Scheitel hochgesteckt. Sie trug
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