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Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits

Titel: Modesty Blaise 02: Die Lady bittet ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter O'Donnell
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lang, und dann begann er zu zitieren: «Der Inhalt der Passagen in diesem hermetisch abgerundeten kleinen Werk mit kurzen Solo-Intermezzi ist eher dunkel denn gläsern, es ist sparsam in seiner Struktur, jedoch perlmuttartig an seiner Oberfläche. Zu behaupten, daß die Interpretation eines solchen Werkes keinen geringen Grad an stechender Brillanz erfordert, wäre eine absurde
litotes
–»
    «Hör auf, Willie, du übertreibst. Doch nicht
litotes

    Er verdrehte die Augen. «Ehrenwort, Prinzessin. Ich habe es im Lexikon nachgeschlagen. Es bedeutet soviel wie ironische Untertreibung, so als ob man zum Beispiel sagte – hm – nun, John Dall ist genaugenommen kein armer Mann. Du solltest diese Musikkritiken lesen. Sie sind zum Wiehern.»
    «Ich will es versuchen. Das bringt mich übrigens auf deine Badewannen-Polonaise. Es war zum Schießen.»
    «Ach, du hast die Guerlain-Schachtel also aufgemacht?»
    «Ja. Es ist ein Juwel. Gott allein weiß, wie viele Stunden Arbeit es dich gekostet haben mußte. Ich genoß jede Sekunde.» Er grinste und ging zu dem alten Schrank in der Ecke des Zimmers, nahm eine Flasche Rotwein heraus und füllte zwei Gläser.
    An der einen Wand des Raumes standen in der Nähe eines altmodischen schwarzen Ofens zwei abgenützte Armstühle. Willie zog sie ein wenig hervor, nahm die Gläser und gab eines Modesty.
    Dann saßen sie bei ihrem Wein, blickten stumm auf das Gemälde und genossen die entspannte Zufriedenheit, die den Stunden der höchsten Anspannung folgt.
    Nach einer Zeit des Schweigens fragte sie: «Hast du Weng wegen Lucille angerufen?»
    «Hm. Ist alles in Ordnung, Prinzessin. Er brachte sie ans Flugzeug und rief noch am selben Abend die Schule an. Sie ist gut in Tanger angekommen.»
    «Gab es keine Schwierigkeiten mit ihr?»
    «Nach dem, was Weng sagte, dürfte sie ein wenig verschnupft sein, weil wir beide sie nicht zum Flugzeug brachten.»
    «Sagtest du ihr, daß wir in wenigen Tagen hinüberfliegen und sie besuchen werden?»
    «Ja, aber sie schmollte trotzdem weiter.»
    Modesty zuckte die Achseln. «Sie wird es überleben.»
    «Ich glaube gar nicht, daß ihr unsere Abwesenheit so besonders viel ausmachte. Sie nimmt eben einfach gerne eine Gelegenheit wahr, sich ein bißchen in Szene zu setzen.» Willie stand auf, entfaltete eine zusammengelegte Decke und breitete sie auf dem Tisch aus. Dann legte er das Gemälde mit der Bildseite nach unten darauf.
    Der Keilrahmen war aus Eiche und hatte nur eine Querstrebe; er wurde im Bildrahmen durch kurze Eckstückchen aus Metall und Gummikeile festgehalten.
    Willie entrollte eine kleine Werkzeugtasche, schraubte die Metallstücke herunter und lockerte den Keilrahmen in dem verzierten Goldrahmen.
    «Kannst du die Leinwand abnehmen, ohne das Siegel auf der Rückseite zu brechen?» fragte Modesty.
    «Sicherlich, Prinzessin.» Er wählte eine gegabelte Miniaturbrechstange aus seinem Werkzeugsatz und begann sehr sorgfältig die ersten der vielen Zwecken zu lösen, mit welchen die Leinwand angeheftet war.
    Eine Viertelstunde verging in Schweigen.
    Schließlich sagte Modesty: «Ich hatte keine Gelegenheit, es dir zu erzählen, Willie, aber Mike Delgado tauchte in Beirut auf.»
    Willie warf ihr einen Blick zu, dann setzte er seine Arbeit fort. «Tauchte auf? Wonach sah dieses Auftauchen aus?»
    «Es sah aus, als wäre er zufällig vorbeigekommen.»
    Willie entfernte die letzten Zwecken an der Oberseite des Keilrahmens. «Könnte sehr nützlich sein, daß Delgado Zeuge war, als du das viele Geld verlorst. Er wird es überall herumerzählen.»
    «Es ging ohnedies bereits durch ein paar Zeitungen.»
    Sie setzte das Glas ab. «Ich verabredete mit ihm ein Zusammentreffen in Lissabon. Ich glaube, es ist gut, mit ihm in Kontakt zu bleiben.»
    Willie überlegte, rieb sich das Kinn mit dem Griff der kleinen Brechstange. «Delgado muß hinter etwas her sein», sagte er schließlich, «er hat zwar nicht dasselbe im Auge wie wir, aber möglicherweise hat er etwas flüstern gehört. Ja … es ist bestimmt gut, mit ihm in Kontakt zu bleiben.»
    «Du meinst, er muß auf eigene Faust hinter etwas her sein, wenn er in Lissabon aufkreuzt, um sich mit mir zu treffen?» Modesty erhob sich und kam an Willies Seite, während er sich wieder über das Gemälde beugte.
    «Natürlich, du weißt doch, wie er arbeitet, Prinzessin.»
    Sie lächelte und klopfte Willie mit dem Zeigefinger freundschaftlich auf die Schulter. «Ich weiß nicht, Willie, ob du bloß müde bist oder

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