Modesty Blaise 09: Die Lady fliegt auf Drachen
er sein übliches autoritäres Gehabe abgelegt und sich lebhaft und freundlich gegeben.
«Haben Sie alle Leute ausgezahlt, Mijnheer Weber?», fragte er.
«Ja, alle waren zufrieden.»
«Und auch Sie sind mit Ihrem Anteil zufrieden?»
Weber breitete die Hände aus. «Um ehrlich zu sein, ich hoffe, im Hinblick auf die Art der Ausführung eine kleine Erhöhung zu erhalten.»
«Ich ziehe es vor, die Vereinbarung einzuhalten.»
«Dann wollen wir nicht mehr darüber sprechen.»
Weber kicherte wieder. «Das nächste Mal muß ich mir bessere Bedingungen aushandeln, ja?»
«Natürlich, warum nicht. Wir haben vereinbart, daß keiner der angeheuerten Leute von meiner Existenz erfährt. Man soll Sie für den Erfinder und Initiator der Affäre halten. Kann ich sicher sein, daß das der Fall ist?»
«Aber selbstverständlich, lieber Freund.» Weber klopfte sich auf die Nase. «Selbst wenn ich kein ehrlicher Mann wäre, würde ich eine so wertvolle Information nicht aus der Hand geben. Ich hoffe, wir werden Gelegenheit haben, weitere Geschäfte miteinander zu machen. Das Rijksmuseum birgt viele wertvolle Schätze.»
Beauregard Browne strich sich nachdenklich über die Wange. «Das Selbstporträt von Rembrandt könnte mich interessieren … und vielleicht wäre es eine vernünftige Strategie, rasch nochmals zuzuschlagen, denn das ist das letzte, was die Polizei erwartet.» Er nickte vor sich hin. «Ja. Vermutlich werden Sie im Lauf der nächsten Tage von mir hören, Mijnheer Weber.»
«Ausgezeichnet! Noch einen Schnaps?»
«Nein, danke sehr. Wir müssen einen Freund in Schiphol abholen.»
«Dann will ich Sie nicht länger aufhalten.» Weber reichte ihm ein rosafarbenes Dokument über den Tisch. «Das ist die Bestätigung über den Möbelversand, falls Sie ihn brauchen sollten.»
Der Container sollte nach Athen verschifft werden.
Doch vor seiner Ankunft würde Beauregard Browne ihn bereits nach Sydney umdirigiert haben. Seine Angestellten mehr als unbedingt nötig wissen zu lassen, war nicht seine Art. Der ursprüngliche Zweck des heutigen Besuchs war das Abholen der Versanddokumente.
Jetzt, da er beschlossen hatte, Weber aus dem Weg zu räumen, war es lebenswichtig, daß man die Dokumente nicht in Webers Besitz fand.
Beauregard Browne und Clarissa standen auf. Weber ging um den Tisch, um ihnen die Hand zu geben. Der Leibwächter stand in der Nähe der Tür. Clarissa machte zwei Schritte, stolperte und griff sich an die Stirn.
«Tut mir leid, ich bin ein wenig schwindlig», murmelte sie.
Beauregard Browne nahm ihren Arm. «Doch nicht nach einem Glas Schnaps? Setz dich einen Moment ans Fenster.» Er führte sie zur Fensterbank und sah Weber an. «Könnten Sie ein wenig Luft hereinlassen?»
«Natürlich.» Weber winkte dem Wächter und sagte:
«Öffne das Fenster.»
Der Mann ging zum Fenster und griff neben Clarissas Kopf nach der Klinke. Beauregard Browne richtete sich auf und wandte sich an Weber. «Tut mir leid. In einer Minute wird sie wieder in Ordnung sein.» Die zusammengerollte Zeitung war immer noch in Clarissas Hand. Es war eine dünne Rolle, die nur aus ein paar Seiten bestand. Als der Leibwächter zur Fensterklinke griff, richtete sie ein Ende der Rolle gegen einen Punkt unter seinem Brustbein und stieß kräftig nach oben. Die Zeitungsrolle fiel zu Boden. Jetzt hielt sie einen Holzgriff in der Hand, in dem eine Fahrradspeiche von fünfundzwanzig Zentimeter Länge steckte.
Das andere Ende des gehärteten Stahldrahtes war zu einer scharfen Spitze abgefeilt, so daß es mühelos in das Herz des Wächters drang.
Weber sah voll Staunen, wie sein Mann plötzlich zusammensackte; Kopf und Schultern sanken auf die Bank neben das Mädchen. Auf einmal lächelte sie, dann nahm sie die dunkle Brille ab. Weber sah, daß sie ihn anblickte, und in ihrem Blick lag etwas wie kühle Faszination. Plötzlich hatte er Angst, und er blickte rasch zu dem Engländer. Mr. Smith lächelte geistesabwesend.
Seine Hände, die er vor sich hielt, waren leer. Dann bewegten sie sich. Die rechte Hand faßte nach dem Seidentaschentuch, das aus seinem linken Ärmel hervorlugte. Mit einer raschen weichen Bewegung war die Seide herausgezogen; zu lang und zu schmal, um ein Taschentuch zu sein.
Clarissa hielt den Atem an. Es war schon ein paar Monate her, seit sie Beau seinen sogenannten Taschentuchtrick hatte ausführen sehen. So hatten die indischen Thugs jahrhunderte lang Millionen Opfer getötet und sie der Göttin Kali, der dunklen
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