Modesty Blaise 10: Der Xanadu-Talisman
ein Apparat montiert war. Der Apparat war etwa so groß wie eine tragbare Schreibmaschine, hatte aber andere Proportionen. Dominic sagte: »Wird es auf diese Entfernung funktionieren?« Er sprach Französisch und sah aus wie ein Franzose. Sein Haar und seine Bartstoppeln waren dunkel gefärbt, er trug eine Baskenmütze, eine Jacke und Jeans.
Der untersetzte Mann sagte: »Es funktioniert bis auf sechshundert Meter. Der Laserstrahl ist auf das Fenster gerichtet, und etwas vom Licht wird reflektiert. Jeder Ton im Zimmer lässt die Fensterscheiben vibrieren wie ein Trommelfell. Wir fangen diese Schwingungen mit dem Fotomultiplikator auf und verwandeln sie zurück in gesprochene Worte.« Er hielt einen Kopfhörer ans Ohr und stellte die Regler ein.
»Wird der Empfang deutlich sein?«, fragte Dominic.
Der untersetzte Mann zuckte die Achseln. »Wenn wir Glück haben, ja. Natürlich kann Lärm im Hintergrund ein Problem darstellen, besonders, wenn die Personen bei Tisch sitzen und mit Tellern und Besteck geklappert wird. Wenn Sie auf genauere Resultate Wert legen, hätten Sie eine elektronische Abhöranlage verlangen müssen.«
»Es würde mich wundern«, sagte Dominic, »wenn man diese Wohnung unbemerkt betreten kann, und ich wäre auch erstaunt, wenn sie die Wohnung in der letzten Stunde nicht nach Wanzen abgesucht hätten.«
»Einfach so? Dann ist eine Laserüberwachung die einzige Möglichkeit. Wer sind diese Leute?« Dominic wandte sich abrupt um, und es schien, als lächle er in der Dunkelheit, obwohl es vielleicht kein Lächeln war. »Die Leute, für die ich arbeite«, sagte er, »haben den Leuten, für die Sie arbeiten, zwanzigtausend Dollar für Ihre technische Hilfe gezahlt. Ich glaube nicht, dass Ihre Arbeitgeber erfreut wären, wenn sie von meinen Arbeitgebern hörten, dass Sie neugierig wurden.«
Der untersetzte Mann schüttelte den Kopf und winkte ab. »Es war nur eine Frage, wir wollen sie vergessen.«
Sir Gerald Tarrant und René Vaubois standen Zigarren rauchend auf dem kleinen Balkon. Sie hatten gut gegessen und genossen jetzt die Abendluft, während Modesty und Willie den ausziehbaren ovalen Tisch abräumten und zwei Tischplatten hinunterklappten, um mehr Platz zu machen.
Pennyfeather saß in dem großen Schlafzimmer und versuchte nach Moundou im Tschad zu telefonieren.
Er hoffte, jemanden in dem aus zwei Hütten bestehenden Spital zu erreichen, wo er seinen besten Anzug vergessen hatte. Seine Stimme, voller Staunen und Überraschung, war in der ganzen Wohnung zu hören.
Man hatte festgestellt, dass es im ganzen Tschad weniger als fünftausend Telefone gab, und diese Tatsache plus die Erinnerung an Pennyfeathers besten Anzug plus der Klang seines erstaunlichen Französisch lösten in Willie Garvin eine beinahe unkontrollierbare Heiterkeit aus.
Vaubois zog an seiner ausgezeichneten Zigarre und blies sanft den Rauch aus. Er sah über das Gewirr der Häuserdächer und erinnerte sich an einen Vorfall, der sich vor nicht allzu langer Zeit kaum fünfhundert Meter von dieser Wohnung entfernt zugetragen hatte.
Damals hatte man ihm nach dem Leben getrachtet, doch die fünf Männer, alles Experten, die den Job durchführen sollten, hatten einen Abend gewählt, wo Modesty und Willie bei ihm zu Gast waren. Er erinnerte sich, wie er auf die unwirkliche und unheimliche Szene in dem mondbeschienenen Hof hinabblickte, wo sich die Gestalten von Freund und Feind zwischen den Schatten zu Mustern eines tödlichen Kampfes verwoben.
»Seltsam«, sagte er leise, »dass weder Sie noch ich heute Abend hier stünden, wenn es unsere Gastgeberin nicht gäbe.«
Tarrant nickte. »Auch ich dachte zurück«, sagte er.
»Es ist, als hätte ich einen Farbfilm in meinem Kopf, René, wann immer ich will, sehe ich die Bilder vor mir.«
»Ja.« Für Tarrant war es schlimmer gewesen, viel schlimmer, überlegte Vaubois. Modesty hatte ihn nach Wochen der Folter und der Entbehrungen gefunden, nachdem alle anderen ihn bereits für tot gehalten hatten. Aber um ihn, völlig erschöpft und halb gelähmt, aus dieser Gefangenschaft zu befreien, musste sie nackt und unbewaffnet mit einem Gegner von einmaliger Stärke den schwersten Kampf ihres Lebens austragen.
Tarrant, der schwach und hilflos neben dem dunklen unterirdischen Teich lag, war Zeuge gewesen, wie sie diesen unfasslichen Sieg errang.
»Wenn man sie so gesehen hat«, sagte Vaubois, »fällt es schwer, in ihr das Mädchen zu sehen, mit dem wir heute zu Abend gegessen haben.
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