Modesty Blaise 13: Bellman (Kurzgeschichte von Cobra Trap)
Auge. »In Ordnung?«
Für einen Augenblick verstand er die Welt nicht mehr, dann lachte er unsicher. »Als ich heute hergekommen bin, habe ich gedacht, es könnte damit enden, dass Sie mich rauswerfen, und davor habe ich am meisten Angst. Nun das. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Prinzessin, außer ›Ja danke‹. Es ist mir eine Ehre.«
Sie drückte den Knopf der Sprechanlage auf ihrem Schreibtisch und als Moulay antwortete, sagte sie, »Abendessen für zwei, Moulay. Mr. Garvin leistet mir Gesellschaft.«
»Sehr wohl, Mam’selle. In einer halben Stunde?«
»Ja, ausgezeichnet.«
Als sie den Knopf wieder losließ, fragte Willie etwas besorgt, »Und es geht in Ordnung, dass ich Sie nach Lima begleite?«
Sie antwortete und legte dabei eine Spur Herzlichkeit in ihre Stimme, die er bei ihr vorher nie entdeckt hatte, »Es ist sogar sehr gut. Du hast dem ganzen einen neuen Aspekt verliehen und ich freue mich über deine Begleitung. Aber jetzt gehen wir in den Garten und reden ein wenig, bis Moulay fertig ist.«
* * *
Gegen halb zehn schenkte sie frischen Kaffee ein und reichte ihm die Tasse. Sie registrierte zufrieden, dass er während des gemütlichen Essens nur zwei Gläser Wein getrunken hatte und dass sein Verhalten, wie sie es sich gewünscht hatte, lockerer geworden war, aber ohne vermessen zu wirken. Als Moulay eben einen großen Umschlag und ein paar OPHandschuhe gebracht hatte, blickte Willie zwar etwas erstaunt, stellte aber keine Fragen.
Nun sagte sie, »Wenn du fertig bist, möchte ich, dass du diese Handschuhe anziehst und das Dokument aus dem Umschlag nimmst; ich will keine Fingerabdrücke darauf. Noch nicht.«
Das Dokument war auf Spanisch, aber sie wusste, dass er vier Sprachen sprach, einschließlich Arabisch, was er recht flüssig beherrschte und ein paar nützliche Brocken in ein paar weiteren. Wenn man bedenkt, dass er seine Erziehung und Bildung im Waisenhaus erhalten hatte, verfügte er über bemerkenswerte Kenntnisse auf vielen Gebieten. ›Ich scheine vieles schnell zu begreifen‹, hatte er einmal fast entschuldigend gesagt, ›und es bleibt haften. Ich vergesse es nicht.‹
Sie wusste, dass es wahr war. Inmitten der Hitze eines Großgefechtes des Netzes mit der Saafi-Gang, hatte sie gehört, wie er eine heitere und treffende Passage aus den Psalmen zitiert hatte, unter Angabe des Kapitels und Verses. Seine Unbekümmertheit hatte in einem kritischen Moment Zuversicht gegeben. Von Danny Chavasse hatte sie später erfahren, dass Willie Garvin in seiner Jugend etliche Monate in einem Gefängnis in Calcutta mit dem Lesen eines Psalters zugebracht hatte. Er kannte die Psalmen auswendig und fand immer die passenden Zitate daraus. Sein ihm eigener Humor war bei den Netzleuten beliebt.
Er trank seinen Kaffee ohne Eile aus, streifte die Handschuhe über und zog den mit einer Heftklammer zusammengehaltenen Papierstoß aus dem Umschlag. Modesty sagte, »Lass dir ruhig Zeit, ich werde in der Zwischenzeit mit Garcia telefonieren.«
Als sie ging, erhob er sich und wartete, bis sie den Raum verlassen hatte, setzte sich dann wieder und fing zu lesen an.
Zwanzig Minuten waren verstrichen, bis sie zurückkam; er stand an der Terrassentür und blickte über den Garten im Mondlicht. Der Umschlag lag auf dem Tisch. Sie wies auf einen der beiden Sessel, die links und rechts vom Fenster standen und setzte sich ihm gegenüber in den anderen.
»Mir ist klar geworden« sagte sie, »dass ich Bellman nicht dazu bringen kann, mir gegenüberzutreten, um mich zu töten. Wenn er sich darauf einließe, könnte ich handeln und ihn zur Strecke bringen, aber dieses Szenario hatten wir schon und er sucht immer nur das Weite. Jetzt hoffe ich, dass ich ihn für lange Zeit ganz offiziell hinter Gitter bringen kann. Es ist zwar für einen Massenmörder wie Bellman zu milde, der sich darauf spezialisiert hat, Kinder drogenabhängig zu machen, aber es ist der einzige Weg.« Sie schwieg für eine Weile und als er nichts sagte, fuhr sie fort, »Ich habe darauf gewartet, dass du einwendest, dass jemand anderes dann seinen Platz einnehmen wird.«
Willie zuckte die Achseln. »Dem gibt es nichts hinzuzufügen, Prinzessin. Sie wissen es, ich weiß es, aber Bellman muss aus dem Weg geräumt werden und ich werde keine Argumente dagegen vorbringen.«
»Gut. Stell’ dir also vor, du wärst der oberste Polizeichef im Department Lima, in dem Bellman jetzt lebt. Du kennst die Machenschaften der Gangster und ihn genau, also wirst du
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