Möbel zu Hause, aber kein Geld für Alkohol: Kreuzberger Szenen (German Edition)
products and she is very typical for the quarter here.« Dann verschwindet er in der Bäckerei und kommt mit einem Tablett übriggebliebenen Käsekuchens wieder heraus. »This is a cake with cheese«, sagt er. Die Backfische stürzen sich auf den Käsekuchen. Einige legen ihn befremdet wieder zurück. »And over there you see a canadian pizzeria, also very typical«, sagt der Mann. »Can be a canadian pizzeria in Kreuzberg typical?«, frage ich Fup in vielleicht nicht korrektem, aber möglichst einfachem Englisch, aber Fup tut so, als ob er mich nicht hören würde.
Die Backfischsightseeinggruppe setzt sich wieder in Bewegung und lässt ein paar Käsekrümel auf dem Pflaster zurück, die Fup neugierig zwischen seinen Fingern zerreibt.
Der allerletzte Prolet
Das erste, das mir durch den Kopf schießt, als mir Uwe Ochsenknecht über den Weg läuft: »Huch, das ist ja Uwe Ochsenknecht.« Fast hätte ich ihn nicht erkannt. Aber gerade noch rechtzeitig, bevor er an mir vorbeigelaufen ist, signalisiert meine Netzhaut ans Gehirn: Uwe Ochsenknecht.
Und das ist sehr ungewöhnlich, denn normalerweise signalisiert mir meine Netzhaut, oder was auch immer dafür zuständig ist, keine Schauspieler, nicht mal richtige Schauspieler wie … jetzt fällt mir der Name nicht ein, aber er spielte in »Der Jäger des verlorenen Schatzes« den Jäger. Meine Freundin war damals total aufgeregt, während ich mich suchend umguckte und ein paar Mal hintereinander »Wo! Wo! Wo!« fragte. Und den haben wir auch nicht in Kreuzberg, sondern in New York getroffen. Uwe Ochsenknecht ist also mein erster Schauspieler, den ich ganz von alleine erkannt habe, ohne dass mich jemand in die Seite knuffen musste.
Dann geht mir durch den Kopf: »Was macht der denn hier?« Und dann: »Oh Gott, der ist bestimmt hierher gezogen!« Pause, und zwar wahrscheinlich so lange wie zwei Synapsen brauchen, um sich kurzzuschließen. »Dann ist die Gentrifizierung also perfekt. Dazu hat nur noch Uwe Ochsenknecht gefehlt! Das missing link der Gentrifizierung im ›Graefekiez‹.«
Ich stelle mir vor, wie Uwe Ochsenknecht dem letzten Alkoholiker aus dem Viertel die letzte billige Wohnung unter dem Arsch wegzieht, sie teuer renovieren lässt, nur um dann ab und zu in Berlin mürrisch durch die Straßen zu laufen, um zu sehen, ob ihn jemand erkennt. Aber da wird er Pech haben, denn die meisten, denen er hier begegnen dürfte, sind ausländische Touristen, und die essen Pizza in der Pizzeria »Casolare« oder in the canadian pizzeria, which is very typical for the quarter here, gucken aber keine deutschen Filme mit Uwe Ochsenknecht.
Ich erzähle Nadja von meiner seltenen Begegnung. »Der allerletzte Prolet auf Gottes weiter Erde? Der?«, fragt sie. Rhetorisch natürlich. Ich wusste gar nicht, dass Ochsenknecht der allerletzte Prolet ist, aber wenn Nadja das sagt, stimmt das bestimmt.
Später entdecke ich in der Dieffenbachstraße einen Catering-Wagen und Filmleute mit Filmausrüstung. »Ah«, denke ich, »doch kein Ochsenknecht im Viertel.« Ich bin fast ein wenig enttäuscht, denn inzwischen hatte ich mich schon an den Gedanken gewöhnt, und als allerletzter Prolet hätte er vielleicht sogar ganz gut hierher gepasst. Aber man weiß es nicht, wie so vieles, das man nicht weiß.
Wenn ich ihn dann jedoch häufiger getroffen hätte, und er womöglich in den gleichen Cafés aufgetaucht wäre, in die ich auch gehe, dann hätte ich immer denken müssen: »Oh Gott, Uwe Ochsenknecht, der allerletzte Prolet auf Gottes weiter Erde.« Und das will man ja auch nicht ständig denken.
Balibar liest vom Blatt ab
Vor der Humboldt-Universität gibt mir Etiènne Balibar die Hand und fragt, wieviel Zeit ihm noch bis zu seinem Auftritt bliebe. Ich schreibe das, damit Sie jetzt ordentlich beeindruckt denken, oh, der Bittermann kennt Balibar. Da geht es mir übrigens genauso. Aber wahrscheinlich kennen Sie Etiènne Balibar gar nicht. Dann war der ganze schöne Anfang natürlich für die Katz. Und wieder mal völlig umsonst den Kopf zerbrochen.
Ich habe keine Ahnung, wann seine Veranstaltung beginnt, was auch egal ist, denn die Frage ist gar nicht an mich gerichtet. Balibar spricht Deutsch, und ich denke, toll, Balibar spricht Deutsch. Er ist ziemlich klein und ein bisschen breit, er hat weiße Haare und trägt Farben, die bei älteren Herren sehr beliebt sind, Beige und ein helles Grau.
Im Hörsaal zieht sich die Sache hin, und irgendwie habe ich den Eindruck, dieses ewige
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