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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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Kunstlehrerin.«
    »Nach Ihrem Geschmack«, konnte sich Barbara nicht enthalten zu sagen.
    »Sie hat Leonardo da Vinci jedenfalls so mitreißend erklärt, dass sich Marvin ein Buch aus der Bibliothek ausgeliehen hat. Na ja, vor allem wegen dessen aberwitziger technischer Konstrukte. Und der Geheimschrift.«
    Sie hatten das wuchtige Gebäude der ehemaligen Polizeidirektion in der Blücherstraße erreicht, das seit langem dem Verfall preisgegeben war und von Barbara Polizeiruine genannt wurde. Noch hatte hier die Kriminalpolizeiinspektion ihren Sitz. Uplegger lenkte den Wagen auf den Hof der Dienststelle.
    »Diese Penelope Pastor hat mich fast besoffen geredet«, fuhr er fort. »Sie hat mich und Marvin in ihr Atelier eingeladen, ein großes Bauernhaus in Neu Wiendorf … Für eine alleinlebende Person ein ziemlicher Luxus. Und auch die Einrichtung … Ich denke, die Frau hat Geld.«
    »Bei ein paar Künstlern soll das ja vorkommen.« Barbara öffnete den Schlag. »Außerdem, wer sagt Ihnen, dass sie allein lebt?«
    »Sie selbst. Sie mag Männer im Bett, will sie aber nicht den ganzen Tag in ihrer Nähe haben.«
    »Das war deutlich.« Barbara wuchtete ihre Beine auf den Betonboden und schob ihren Leib hinterher.
    »An mich hat sie sicher nicht gedacht«, sagte Uplegger, der mit viel mehr Schwung aus dem Wagen kam. »Marvin war ja dabei. Wir tranken ein Glas Wein, sie redete und redete … Ich hab ein Bild gekauft. Für tausendfünfhundert Euro.«
    »Also darauf lief es hinaus.« Barbara unterdrückte ein Grinsen. »Hübscher Preis. Auch ein hübsches Bild?«
    »Tja. Es heißt Ohne Ausweg . Vier senkrechte und sechs vertikale Streifen, Acrylfarbe, rot, blau und orange. Marvin nennt es Bunter Knastausblick .«
    »Na, ein bisschen Farbe kann Ihrem cleanen Ambiente … Oh, Verzeihung!« Barbara hätte sich die Zunge abbeißen können. Die Einrichtung von Upleggers Wohnung war ein Werk seiner verstorbenen Frau. Er hatte in der Wohnung nichts verändert, so wie er noch immer den teuren Wagen fuhr, den sie angeschafft hatte.
    »Das war taktlos«, sagte er.
    »Ich weiß, ich weiß. Entschuldigen Sie bitte! Es ist nach zwei, ich kann nicht denken.«
    »Im Kühlschrank steht noch ein Sixpack«, sagte Uplegger, der manchmal Gedanken lesen konnte.
     
    Sie sprachen wieder viel zu laut.
    Als er gestern Nacht nach Hause kam, war er durchgefroren und dermaßen erschöpft gewesen, dass er sich nur noch einen Grog gebraut hatte und ins Bett gegangen war. Offenbar war er sofort eingeschlafen. Er schauderte. Im Schlafzimmer war es finster und kalt. Weil er am frühen Morgen das Haus verließ und oft erst spät heimkehrte, heizte er kaum.
    Unruhig sprang er hoch, unruhig schritt er nun im Zimmer auf und ab, schritt wie der Tiger im Käfig, von der Tür zum Fenster, vom Fenster zur Tür, hin und her und her und hin. Die Stimmen von nebenan mussten ihn geweckt haben. Manchmal war es nur ein Wispern, das durch die Wände drang, aber immer häufiger lärmendes Gerede und schrilles Gelächter, wie es bei Betrunkenen zu sein pflegte, die kein Gefühl für Lautstärke mehr hatten. Hin und her und her und hin.
    Wie üblich entstand sein Schmerz hinter Schläfen und Stirn. Er trübte sein Erinnerungsvermögen. Er hatte etwas gesehen. Etwas Schreckliches.
    Hin und her, her und hin. Manchmal hatte er das Gefühl, dass seine Nachbarn sich über ihn lustig machten, über seine Schwäche kicherten.
    Er hieb mit der Faust gegen die Wand. Rigips – ein Zeichen von Sparsamkeit. Von Geiz. Dieser Dreck hieß nicht umsonst auch Gipskarton. Dünn und durchlässig für das geringste Geräusch.
    Blut. Blut hatte er gesehen. Viel Blut.
    Der Schmerz erreichte seinen Nacken, der sich augenblicklich versteifte. Er biss die Zähne zusammen, presste so stark, dass bald auch der Kiefer wehtat. Sein Zahnarzt …
    Er würde nicht mehr zu Ärzten gehen. Wozu? Gegen das Kopfweh hatten sie nichts als schöne Worte.
    Entspannen Sie sich! Machen Sie Yoga! Gehen Sie viel an die frische Luft! Massieren Sie das Kiefergelenk!
    Guter Rat war nicht teuer und an jeder Ecke zu bekommen. Tilidin nicht. Das hatte ihm geholfen. Nur das. Aber er bekam es nicht mehr. Zu hohes Suchtpotential. Da sollte er lieber Schmerzen leiden.
     
    Uplegger gab sein Passwort in den Computer ein, das wenig originell und damit wohl auch leicht zu knacken war, aber in der Dienststelle gab es niemanden, der daran Interesse hatte. SENI22MA lautete es: Ines, von hinten nach vorn buchstabiert, der Geburtstag

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