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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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seines Sohnes, der 22. November, und die ersten Buchstaben von dessen Namen. Während das Programm startete, schaute er über die Schreibtische zu Barbara, die sich am Kühlschrank zu schaffen machte. Obwohl er sich immer wieder ärgerte, dass seine unbelehrbare Kollegin während der Arbeit trank, musste er nun doch unwillkürlich in Gedanken an die Debatte grinsen, die der Kühlschrank ausgelöst hatte.
    Seine Existenz verdankten sie der Polizeistrukturreform, die just in vollem Gange war. Uplegger war wie viele seiner Kollegen davon überzeugt, dass im Innenministerium Bürokraten hockten, die sich mit Vorliebe Reformen ausdachten, weil sie nichts zu tun hatten. Um diese zumeist kostspieligen Verschlimmbesserungen anpreisen zu können, gaben sie Gefälligkeitsgutachten in Auftrag, die aus der Luft gegriffene Zahlen mit schönen Begriffen garnierten, wie Effizienz und Effektivität, Synergie und Verschlankung – Barbara wurde nicht müde zu betonen, dass ihr dieses Wort besonders gut gefiel. Vor einiger Zeit hatte man in Schwerin offenbar damit begonnen, das Ideal von der polizistenlosen Polizei zu verwirklichen. Als ersten Schritt dazu hatte man die PD Rostock und alle anderen Polizeidirektionen aufgelöst, ein Polizeipräsidium West geschaffen und die höheren Führungskräfte mitsamt ihren Stäben aufs Land geschickt, in einen millionenschweren Neubau nach Waldeck; von der Polizeiruine in die Pampa, wie Barbara gern sagte. Während des Umzugs hatte Barbara den Kühlschrank ergattert, der einst das Büro eines Polizeioberrats geziert hatte. Er war zwar schon ein wenig abgestoßen, verfügte aber über ein separates Gefrierfach, was jene Debatte ausgelöst hatte, an die Uplegger sich amüsiert erinnerte. Barbara hatte die Vermutung geäußert, es habe dem Oberrat dazu gedient, Flaschen zu kühlen, worauf Uplegger erwidert hatte, so etwas mache nur ein Dummkopf, denn Schnaps würde im Gefrierfach explodieren. Das wollte Barbara nicht auf sich beruhen lassen, also hatte sie gesagt, es sei ja wohl nicht sicher, was eigentlich explodiere, der Schnaps oder die Flasche.
    Barbaras Hang zu Sophistereien fiel Uplegger gelegentlich auf den Wecker, aber manchmal genoss er es auch, mit ihr die absurdesten Gegenstände zu erörtern. So hatte sie einst die Diskussion auf die Frage vom Huhn und dem Ei gelenkt, weil sie gerade einen Artikel in der Ostsee-Zeitung gelesen hatte. Wissenschaftler der Universität von Warwick und Sheffield hatten mittels Computersimulation bewiesen: Am Anfang war das Huhn. Uplegger hatte ihr diesen Triumph keineswegs gegönnt, sondern hatte ein paar Mutmaßungen über die Bedeutung der Universität von Warwick und Sheffield angestellt und sie Hühner-Uni getauft. Die Debatte war dann irgendwie im Sande verlaufen …
    Barbara hatte die Kühlschranktür geöffnet und schob ihre Tarnung, die Kartons mit Upleggers Sojadrinks beiseite, um an ihren Schatz zu gelangen. Uplegger loggte sich derweil in die Datenbank des Einwohnermeldeamtes ein. In seinem Nacken spürte er Zugluft, denn in der Polizeiruine zog es durch fast alle Fenster.
    »Me-da-naus-kas«, sagte er, während er tippte.
    »Von der Sorte wird es nicht allzu viele geben«, meinte Barbara, stellte eine braune Plastikflasche auf den Tisch und beugte sich zum Startknopf ihres PCs. Uplegger nickte. Das Bier hieß irgendetwas mit Gold, was dafür sprach, dass es nichts taugte. Barbara hatte es Prekariatsbier getauft, weil sie es in einem jener Discounter genannten Ausbeuterläden kaufte.
    Vor Upleggers Auge erschien ein Eintrag, den er mit einem »Aha!« quittierte.
    »Haben Sie schon etwas, Jonas?«, fragte Barbara, die es übernommen hatte, sich mit dem Bundeszentralregister zu befassen.
    »Ja. Die Behörde, die Medanauskas’ Pass ausgestellt hat, ist die lettische Botschaft in Berlin.«
    »Sehr gut.«
    »Der Geschädigte wohnte offenbar noch bei seinen Eltern. In Diedrichshagen. Jedenfalls haben ein Perviltas und eine Lukrecija Medanauskas dieselbe Meldeanschrift, sind aber erheblich älter.«
    »Wie heißt die mutmaßliche Mutter?«
    »Lukrecija.«
    »Ist das nicht der Name einer antiken Selbstmörderin?«
    »Ich glaub schon. Sie leben schon lange in Rostock, seit fast 15 Jahren. Es gibt auch Geschwister, wie ich annehme: einen Manfredas, eine Celerina und einen Riccardo. Celerina und Riccardo sind ebenfalls in Diedrichshagen gemeldet, unter derselben Adresse im Stolteraer Weg. Dieser Manfredas nicht. Er wohnt … Sekunde! Ja, hier: Alter Markt

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