Mörder Quote
gab es auch immer mehr davon, das hatte Mausi irgendwo gelesen. Na ja, leben und leben lassen. Mit jedem Schnaps wurde sogar Mausi Schmitz gnädiger. Noch zehn Genever und er hätte sogar etwas Nettes über Tanya Beck gesagt. Aber erst blieb ihm Mary Roos: »Wir tanzen Samba, bis der Morgen erwacht, wir vergessen die Nacht, weil nur die Liebe zählt …« An dieser Stelle wurde Mausi immer traurig. Weil Liebe – Liebe gab es bei ihm schon lange nicht mehr. Die Katzen vielleicht, aber sonst … Liebe war lange her. Als er im Fernsehen angefangen hatte, vor so vielen Jahren … ja, er kannte einige der Herrschaften aus Zeiten, als sie noch Kabelhilfen gewesen waren. Und aus anderen merkwürdigen Jobs am Rande der Legalität …
In diesem Moment schob ihm der Kellner ein Tablett rüber mit einem extragroßen Genever. »Für dich, Mausi! Direkt von da drüben!«
Mausi Schmitz starrte sturzbetrunken über den Tresen auf die andere Seite der Bar in das Gesicht von Marco Deutz.
Das gab es ja gar nicht! Was machten denn all diese Leute aus der Show heute hier? War im Rainbow etwa die inoffizielle Aftershow-Party? Na, das würde ja gut zu einer schwulen Kneipe passen! AFTER -Show. Mausi musste sich fast bepissen vor Lachen. »Isch kann ni mi!«, rief er über den Tresen und hob das Glas. Er kippte den Drink und bemerkte dann schließlich doch, dass es sich um eine Marco-Maske handelte, die sein Gegenüber trug, samt Spruch auf der Stirn. Ach so, na klar, dachte Mausi, Marco würde nie im Leben ein polysexuell perverses Lokal betreten, das hätte ihn jetzt auch gewundert.
» IQ macht auch nicht geil« – ja, da war was dran. Dankbar winkte er über die Bar, doch die Spendierhosen schoben sich schon wieder zurück ins Getümmel. Auch egal. Mausi Schmitz fühlte sich plötzlich sehr müde. War ein langer Tag gewesen.
Mary Roos, das war noch ein echter Star! Wie eine träge schillernde Seifenblase stieg dieser Gedanke wieder in ihm hoch, während ihm die Füße versagten, sein Puls plötzlich raste und er sich erschrocken in die schunkelnden Arme um ihn herum fallen lassen musste.
WOCHE 2:
LOVE IS A BATTLEFIELD
Die 80er Jahre
E-Mails an die Produktion nach der Sendung, Auszüge:
KAPITEL 6
Sascha war in dem kargen Probenraum der Produktion absolut in seinem Element. Er liebte die 80er und alles, was damit zu tun hatte, und das Motto der Liveshow dieser Woche war wie für ihn gemacht. Er hatte sich sogar eigenständig ein Schweißband in Neonpink und Legwarmers in Neongrün besorgt, um schon bei den Proben das nötige Flashdance-Feeling zu verkörpern.
Kurz vor einer Jennifer-Beals-Lockenperücke hatte er abgestoppt, aber die hatte Chantal übernommen, und nun lagen sie beide am Boden, bereit für den Beginn der gemeinsamen »What a feeling«-Choreografie, die den Anfang der Show machen würde. Sascha konnte nicht länger an sich halten und intonierte jetzt schon laut und a cappella in Richtung einer imaginären Kamera: »First when there’s nothing but a slow glowing dream …«
Die Machos Mike D und Rocker Uwe starrten ihn mit ekelverzerrten Mienen an, aber das war ihm egal. Es würde eine gute Woche werden, da war er sich ganz sicher. Der Tod von Manfred »Mausi« Schmitz hatte ihn merkwürdig kaltgelassen. Die Aufregung im Rainbow Samstagnacht war natürlich groß gewesen: die Entdeckung des zusammengesackten toten Stammgastes am Tresen, der schnelle Aufmarsch der Polizei, die Befragungen aller Besucher bis in die frühen Morgenstunden. Aber schon am Sonntagnachmittag war die Story überall rum gewesen, schlechtes MDMA , die fieseste und neuste Partydroge aus dem erfinderischen Amerika, hatte zusammen mit einer halben Flasche Genever das mürrische Herz der TV -Fachkraft wohl ins Stocken gebracht. Und da Mausis letzte Zuckungen beim Infarkt von den Umstehenden leider mit notgeilen Schunkelversuchen verwechselt worden waren, verstrichen die entscheidenden fünf Minuten, in denen man ihm noch hätte helfen können. Am Sonntagabend schon war nach einer verkrampften Trauerminute für »unseren lieben Manfred« die Karnevalsmusik im Lokal wieder angeschmissen worden. Und wie Saschas Gang ihm postete, knutschten um elf Uhr wieder neu gegründete Paarungen genau an der Stelle des Tresens, an der weniger als 24 Stunden vorher ein Mensch aus dem Leben geschieden war – zu dem Kuschelrockklassiker »Sailing« von Rod Stewart.
»Das Leben ist ein ewiger Strom, die große Göttin gibt, und die große Göttin nimmt«,
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