Mörder Quote
»Ich bin gleich durch. Hast du denn noch mehr gegen ihn in der Schublade, oder war es das?«, fragte sie. »Ziehst du kurz vorm Finale etwas aus der Tasche, um jemand anderen nach vorne zu bringen?«
Peter de Bruyn grinste und schaltete sein Laufband um eine Stufe hoch. »Nice try, babe! Aber wenn ich dir alles zeige, was ich in der Schublade habe, möchtest du vielleicht nicht mehr dein süßes Lächeln in die Kamera lächeln. Und das brauchen wir ja noch …« Er senkte seine Stimme ins Noch-Vertraulichere: »Kleine Geschichte am Rande zu deinem Cool-down … der Mutter/Tochter-Double-Act war heute bei mir im Büro … sie sind sauer, dass das dunkle Xenalein mehr Presse bekommt als die Wasserlilie und wollen alles dagegen tun. Sie haben mir sogar unmoralische Angebote gemacht …«
Jetzt musste Tanya wirklich dringend absteigen.
»Also nur die Mutti … machte einen auf Vamp, während die Tochter hochrot anlief … dabei wäre die Kleine eher mein Typ … ich bin ja kein Leichenschänder.«
Tanya konnte nur noch kurz nicken und sich in Richtung Damenumkleide davonmachen. »Eine Staffel noch!«, murmelte sie ihr Mantra, schaltete Barbra zur Unterstützung wieder hoch und sah deswegen den Typen im Personal-Trainer-Outfit zu spät. Prompt rumpelte sie mit ihm zusammen.
Na, toll. Das war definitiv nicht ihr Tag heute, obwohl er zugegebenermaßen sehr schnuckelig aussah. Extrem schnuckelig sogar.
»Meine Schuld! Ab zwanzig Kniebeugen kann ich nicht mehr klar denken«, sagte er mit einem halben Lächeln, das sie an irgendetwas erinnerte.
Sie murmelte eine Entschuldigung und erst, als sie zehn Minuten später im Dampfraum entspannte, fiel ihr plötzlich ein, woher sie ihn kannte – er war der Typ, der in der ersten Show hinter ihr gesessen hatte. Der mit dem schlecht geschriebenen Zettel und der Handynummer!
0172-8822700. Tanya verfluchte ihr Moderatorinnengehirn, das sich jede unwichtige Information sofort herunterzuladen schien wie einen Trojaner auf eine unschuldige Festplatte, aber wegen des wieder sehr netten Lächelns (und ja, okay, wegen seines sehr attraktiv aussehenden Körpers) beschloss sie, heute noch eine weitere Information zu laden. Auf dem Schild, das alle Personal Trainer des Studios vorstellte, stand unter dem Porträtfoto ein Name – Nils Lehmann.
Ein Fakt mehr oder weniger im Kopf – das hatte noch keiner guten Moderatorin geschadet, sagte sie sich und lächelte. Und immerhin sang der Typ nicht.
Zur Beerdigung von Manfred »Mausi« Schmitz kamen erwartungsgemäß nicht sehr viele Trauergäste. Der regnerische Donnerstag hatte noch sein Übriges dazu getan, aber auch bei strahlendem Sonnenschein wären die Fans des Maskenbildners nach seinem Drogentod sicher übersichtlich geblieben – dazu war er einfach zu wenig nett gewesen.
Tanya ertappte sich dabei, wie sie in Gedanken das Wort »Fans« und nicht das Wort »Freunde« verwendete. Sie war wirklich zu lange in der Castingshow-Mühle. Weswegen ihr vermutlich auch sofort die Top-Ten-Songs für Beerdigungen einfielen, und ganz kurz dachte sie sogar, dass es Mausi sicher gefallen hätte, wenn jetzt hinter seinem goldenen Sarg ein Gospelchor auftauchen und »I believe I can fly« anstimmen würde. Aber der Sarg war aus Buche und nicht aus Gold, und der Friedhof war Köln-Hürth und nicht Los Angeles. Gospel war hier weit weg.
Mehr Pietät, Tanya! Sie musterte die kleine Gruppe von Trauernden, die sich um das Grab geschart hatten. Von der Produktion war wirklich nur de Bruyn gekommen, sicher weniger aus Trauer um Mausi als aus Kontrollsucht – seine glamouröse Moderatorin am Grab eines Drogentoten – das würde er sicher nicht so gerne in der Boulevardpresse sehen. Oder vielleicht besonders gerne – Tanya konnte das oft nicht mehr auseinanderhalten.
Ihre Jurykollegen waren ferngeblieben – Marco Deutz hatte einen riesigen hässlichen Kranz schicken lassen mit dem hier nun wirklich unpassenden Wort »Teamplayer«. Es bestand ja eher wenig Hoffnung, dass Mausi gleich aus dem Sarg springen und eine Cheerleading-Gruppe zum Lobgesang der Show anführen würde.
Pitterchen hatte ein Fass Bier geschickt mit der Aufschrift »Im Himmel jibt et kein Kölsch« – wo der Ur-Kölner Humor und wo der Wahnsinn anfing –, auch diese Grenzen verschwammen für Tanya immer mehr. Wenigstens hatten sich von den Kandidaten Sascha und Chantal eingefunden, wahrscheinlich aus Randgruppensolidarität, und sogar Sebastian und Xena – Letztere aber
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