Mörder Quote
zweite Schuss zu hören. Nun brach überall Panik aus. Alle versuchten aus dem Studio zu kommen, nur Tanya rannte direkt zu Nils hin, der sich über Sebastian geworfen hatte. Als sie ihn erreichte, sah er zu ihr auf, schneeweiß im Gesicht.
Er drehte den blutenden Sebastian zu ihr hin und fühlte gleichzeitig dessen Puls. Tanya wusste, dass Sebastian tot war, bevor Nils etwas sagte. Sie blickte zu Sascha hinüber, der hysterisch heulend in Lillys Schoß lag. Direkt vor ihr auf dem Monitor lief immer noch der Text weiter.
No more dying anywhere
No more dying my love.
KAPITEL 43
Das letzte Treffen zwischen Kommissar Köhler und Tanya war nüchtern, fast förmlich. Es war eine Woche nach der letzten Sendung, und anscheinend hatte er das Gefühl, ihr noch einmal alle Beweise und Fakten des Falles abschließend präsentieren zu müssen, vielleicht, weil sie ihm doch am meisten von allen in der Show geholfen hatte.
Sie trafen sich auf neutralem Gebiet, wieder in dem Oma-Café, in dem er sie zum ersten Mal befragt hatte. Er legte seine inzwischen sehr dicke Akte auf den Tisch oder, wie es sich ein bisschen für Tanya anfühlte, ihr zu Füßen.
»Was die Zeitungen wissen, aber noch nicht schreiben dürfen«, begann er mit seiner ruhigen Stimme. »Sebastian Färber war schon länger als fundamentalistischer Christ der strengsten amerikanischen Ausrichtung bekannt. Der Pfarrer in seiner Gemeinde wusste von seinen übertriebenen alttestamentarischen Ansichten. Allerdings hatte er sie öfter in der Beichte ausgebreitet als in der Gemeinde, und deshalb fielen sie unter das Beichtgeheimnis. Als Sebastian sich für die Show anmeldete und genommen wurde, dachte der Pfarrer sogar, er hätte sich etwas beruhigt und wäre den normalen weltlichen Dingen gegenüber jetzt aufgeschlossener. Aber das Gegenteil war wohl der Fall.« Der Kommissar räusperte sich. »Auf seinem Computer haben wir ausreichend Hassmails gefunden, die er mit Gleichgesinnten besonders in den USA austauschte und in denen er über das Fernsehen schimpfte und natürlich besonders gegen Schwule, Transsexuelle und alle, so formulierte er es, ›Abnormitäten‹, die in diesem Medium und besonders im Reality- TV und in den Castingshows vorkommen …«
»Deshalb der Hass auf Chantal und Sascha?« Tanya spürte die ganze schreckliche Logik.
»Richtig. Deshalb war nach den Taten von Frau Helm Chantal sein erstes Opfer. Und er hatte auch die Drohbriefe an Sascha verfasst, während er gleichzeitig Lilly zu einer Art Marienvision hochstilisiert hat, die als › reiner Engel ‹ durch diesen › Sumpf ‹ ging und die unbedingt beschützt und – im Falle ihres Nicht-Sieges – gerächt werden musste.«
»Hat Lilly etwas davon gewusst?«
Der Kommissar schüttelte den Kopf. »Sie sagt, sie hätte öfter Fanmails bekommen, in denen sie zu einer Art Lichtgestalt gemacht wurde, aber sie hat sich nichts dabei gedacht, nicht mal bei dem merkwürdigen Absender.«
»Joab.« Tanya dachte an die Witze der Kollegen in den Fanpost-Meetings und an die Drohbriefe, von denen Sascha ihr erzählt hatte.
»Der biblische Rächer an dem perversen Absalom …« Der Kommissar musste nicht mehr ablesen.
»Und Sebastian wusste natürlich aus seiner Zeit in der Show, wo sich der Schalter für die Special effects befand«, sagte Tanya nachdenklich. »Aber wie konnte er die Waffe ins Studio schmuggeln, trotz all der Security?«
Herr Köhler runzelte die Stirn. »Das wissen wir leider immer noch nicht genau«, sagte er. »Vielleicht hat er einen Nebeneingang genommen, den nur die Ex-Kandidaten kannten – da sind wir noch dran. Fakt ist: Auf seiner Festplatte haben wir all den üblichen Müll gefunden, was religiösen Wahn angeht – dass ihm himmlische Stimmen die › Hinrichtung ‹ von Chantal und Sascha befohlen hätten und dass er sich danach sofort selber hinrichten müsse auf dem Altar der wahren Werte und dann ins Paradies einziehen würde …«
»Wo es sicher keine Castingshows gibt …« Tanya schüttelte traurig den Kopf. »Wenn ich noch an die ersten Wochen denke, in denen er mitgeprobt und mitgesungen hat … Ich hätte ihm das nie zugetraut.«
»Der einzige Mensch, der etwas gemerkt hat, war wohl ausgerechnet Sascha. Er hat zu Protokoll gegeben, dass es bei einem Treffen einen stark homophoben Ausbruch von Sebastian Färber gegeben hat.«
»Wie geht es Sascha?«, fragte Tanya und trank einen weiteren Schluck von dem guten deutschen, sehr starken Bohnenkaffee, wie ihn die
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