Mörder Quote
Dusche werden Sie das sicher können«, so Frau Doktor), aber vor Menschen und als Beruf – das konnte sich Sascha nun wirklich nicht mehr vorstellen. Denn damit kämen in ihm beide Bilder zusammen, die er von nun an lebenslang vermeiden wollte: Er selber als der wilde Egomane, der sich nur durch den Traum vom »Popstar« wertschätzen und lieben konnte, und der Moment der tödlichen Gefahr. Dass seine Music-Star-3000 -Sieger- CD nie herausgekommen war, empfand er schon fast als den ersten Schritt zurück in die Normalität. Und Gott sei Dank konnte sein Anwalt auch das Erscheinen der »No More Dying«-Single nach dem Verbot der TV -Show aus ethischen Gründen verhindern. Als »Lilliane« auf ihrem ersten Album den Song coverte, war er zuerst schockiert gewesen und wollte ihre Version lange nicht hören. Aber schließlich hatte er es geschafft – und hatte verstanden, in was Lilly Marcos Trash-Machwerk mit ihrer A-cappella-Version verwandelt hatte: in eine Art reinigendes Gebet, in dem der doofe Text auf einmal wirklich Sinn machte und die Sängerin die Toten der TV -Show abschließend betrauerte und beerdigte.
Das Auto hielt an einer Ampel. Sascha sah zum Fenster hinaus und starrte direkt auf ein riesiges »Lilliane«-Plakat, das vor ihm fast eine ganze Häuserwand einnahm. Lillys Gesicht war immer noch so engelsgleich wie eh und je, jetzt aber durch ihren neuen Look, die kurzen Haare, das Piercing und die »künstlerisch« grobkörnige Schwarz-Weiß-Ästhetik des Fotos ausdrucksstärker und glaubwürdiger geworden. Sie war das Role Model für die vielen jungen Mädchen geworden, die ihre CD s jetzt zu Millionen kauften und ihren Look imitierten. Gut – es hatte sicher auch geholfen, dass der Titelsong ihrer neuen CD von Bono komponiert worden war, der von ihrem Schicksal wohl so inspiriert worden war, dass er ihr das Lied »The Road« schenkte.
Die Ampel stand noch immer auf Rot, und während Sascha immer weiter in Lillys zwei mal zwei Quadratmeter großen Augen starrte, stieg auf einmal in ihm wieder das schreckliche Gefühl hoch, das er aus seinen schlimmsten Momenten kannte: blanke Panik gemischt mit purer Angst. Er konnte es nicht. Er konnte sich nicht wieder zwischen all die Menschen setzen und die alten Bilder ansehen. Er war noch nicht so weit. Ohne dem Fahrer ein Wort zu sagen, öffnete er die Autotür, sprang aus dem Wagen und rannte über den dicht bevölkerten Bürgersteig davon. Die Show musste ohne ihn stattfinden. Für immer.
KAPITEL 46
Nach einem kurzen Applaus-Adrenalinhoch am Anfang der Sendung war Tanja nach wenigen Minuten innerlich wieder in die Beobachterrolle gegangen und betrachtete die Vorgänge in der Sendung distanziert und selbst nach der langen Abstinenz mit dem altbekannten Gefühl von Ironie gemischt mit etwas Ekel. Surrealerweise fand die Talkshow-Aufzeichnung auch noch im selben Studio statt, in dem letztes Jahr »Music Star« aufgezeichnet worden war, und obwohl sie jetzt natürlich in einem anderen Set saß und in einer anderen Sendung, waren doch viele Leute der Crew, die nun um sie herum arbeiteten, die gleichen wie damals – von den Kameraleuten bis zu den Tonmännern. Das hätte es sicher für Sascha noch schwerer gemacht, hier aufzutreten, dachte sie.
Zuerst war sie enttäuscht gewesen, dass er nicht erschienen war (Sascha war auch ein Grund für sie gewesen, überhaupt zu kommen), aber wahrscheinlich war es so wirklich besser für ihn. Denn diese Betroffenheitsnummer, die jetzt sehr öffentlich-rechtlich von Herrn Jürgens ausgebreitet wurde, war nicht nur langatmig, sondern auch langweilig. Und frustrierend: Tanja war entsetzt darüber, dass manche der anwesenden Kandidaten nach all dem Drama, nach der ganzen Tragödie, trotzdem nichts in ihrem Leben geändert hatten – und damit meinte sie nicht nur Marco Deutz, der natürlich ohne mit der Wimper zu zucken jede Frage zu der »alten« Sendung ummünzte in eine Antwort über seine »neue« Sendung, die am nächsten Samstag startete und die wohl alle Vorzeichen hatte, »wieder eine echt geile Marco-Scheiße« zu werden.
Nein, noch erbärmlicher erschienen Tanja die kleinen Alltagsgeschichten von Ayleen, die immer noch an den Stangen der Nation rauf- und runterrutschte (»jetzt aber für echt mehr Kohle, also das hat die Show schon gebracht!«), und Uwe, dessen Autowerkstatt so »recht und schlecht« lief, der aber durch Gesangsauftritte bei örtlichen Vereinsfesten in Mecklenburg-Vorpommern »die Kasse
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