Mörder Quote
füllen.
Die anderen Ex-Kandidaten wurden ausführlich interviewt, wobei Ayleen gestoppt werden musste, bevor sie in einen unpassenden Spagat versinken konnte, Mike D mehr rülpste als redete und Uwe und Sebastian kaum ein Wort rausbrachten. Während Sebastians Interview fiel Sascha der Moment ein, als das innere Bild seiner Beatles-Interpretation auf einmal live im Publikum gesessen hatte. Irgendwie hatte Sebastian die Tendenz, in Saschas Leben aufzutauchen und wieder zu verschwinden, und Sascha war sich immer noch nicht sicher, was das bedeuten sollte. Aber heute sah Sebastian sowieso nicht zu ihm rüber. Stattdessen starrte er nur Lilly an, die ihn jedoch nicht zu bemerken schien oder ganz in sich versunken war. Sascha spürte einen kurzen Stich von Neid, und dann begrub er das Kapitel Sebastian. Für jetzt.
Eventuell würde er ihn auf der Dernièrenfeier ansprechen. Als Gewinner der Show. Aber jetzt musste er alle Ablenkung aus seinem Gehirn vertreiben.
Tanya musste manchmal fast kichern bei einigen der redaktionellen Einfälle, die die Sendung mit nur drei Songs und einer Abstimmung auf zwei Stunden Länge bringen mussten. Wer in aller Welt war darauf gekommen, eine Live-Schalte zu Marco Deutz nach Mallorca zu machen, wo er – von seiner aktuellen Suzie Wong gepflegt – mit einem falsch großen Wollschal saß und den Grippekranken mimte? Wer hatte die Idee gehabt, die ausgeschiedenen Kandidaten »That’s what friends are for« singen zu lassen, mit einer Feuerzeug-Schwenk-Choreografie, die Mike D wegen der Handschellen nicht hinkriegte? Und wer hatte ausgerechnet den »Weltstar« Anastacia eingeladen für einen großen Whitney-Houston-Tribut? Andere Ideen waren einfach nur geschmacklos: Das Interview mit Xenas Oma tat ihr im Herzen weh, so lieb und rührend hatte die alte Dame über ihre Enkelin gesprochen. Und das Interview mit der Ex-Frau von Mephisto, einer Bürofachfrau aus seinem Amt, war eher grotesk als anrührend gewesen. Immerhin – gut zu wissen, dass Mephisto im Büro immer die Geburtstagsüberraschungen organisiert hatte (bei den Männern ein Fass Kölsch, bei den Frauen ein Flakon 4711). Als schließlich noch die »Rainbow Girls« zu Madonnas »Vogue« mit einem Tribut an Chantal auf die Bühne sprangen, zählte Tanya nur noch die Minuten, bis man endlich zur Hauptsache kommen könnte. Aber das Studio tobte die ganze Zeit, und in den Werbebreaks (die so ausgebucht waren, dass jeder einzelne es auf die erlaubte Höchstzeit brachte) starrte Tanya fasziniert auf all die Produkte, die sich unbedingt mit einer Sendung verbinden wollten, in der es immerhin Tote gegeben hatte. Bei den Lebensversicherungen nahm sie heimlich aus dem Flachmann ihrer Make-up-Frau einen Schluck Wodka. Das war sogar für sie zu viel Ironie.
KAPITEL 41
Endlich war es so weit. In Minute 70 der Sendung moderierte der Moderator nun langsam in Richtung Saschas Lied, wobei natürlich auch hier noch mal der Vorfilm über alle seine »bewegendsten Momente« gebracht wurde.
Wenn die wüssten, dachte Sascha ein letztes Mal, während er die zehn Stufen hinunter vom Wartesofa zu seinem Auftritt ging. Er stellte sich hinter die riesige LED -Wand, die gleich hochfahren würde und auf der wie in einem totalitären Regime sein Name und sein Gesicht meterhoch in die Welt leuchteten. Er fühlte sich zum letzten Mal klein, hinter dieser riesigen, teuren Wand aus Licht und Kabeln. Aber dieses Gefühl würde gleich vorbei sein. Das war jetzt der Moment.
Tanya hörte, wie der Moderator Saschas Namen rief, sah, wie er durch die auffahrende Wand kam. Er war bereit, das konnte man ihm ansehen.
Er wirkte konzentriert, aber nicht zu ruhig, wach, aber nicht zu hyperaktiv, präsent ohne Eitelkeit. Er hatte sich als Bühnenbild einen riesigen Spiegel bestellt, in den er nun hineinsang, zu seinem Alter Ego. Und sie verstand, als das erste berühmte Arpeggio seines Songs erklang, dass Sascha jedes Wort von dem wirklich meinte, was er sang, jedes Wort, das man schon so oft gehört, aber vielleicht nie so verstanden hatte:
First I was afraid I was petrified …
Kept thinking I could never live without you by my side
But then I spent so many nights thinking how you did me wrong
And I grew strong
And I learned how to get along …
Und sie sah, wie Sascha durch den scheinbar zersplitternden Spiegel sprang und sich von seinem kleinen alten Ich frei sang. Alle im Raum spürten es: Nicht nur würde er diese Show überleben, nein, er würde durch die
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