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Mörderische Harzreise (German Edition)

Mörderische Harzreise (German Edition)

Titel: Mörderische Harzreise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Exner
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»Ungethüm.«
    Lilly, die nun endgültig die Nase voll hatte von den nächtlichen Aktivitäten, dem Alligator, dem Wachtmeister und den Pfefferminzpastillen, schaute ihn abschätzig an und antwortete: »Genau so sehen Sie auch aus.«
    Nachdem Lilly ihrem Unmut Luft gemacht hatte, fuhr sie nach Hause und schlief wie ein Murmeltier. Morgens um zehn Uhr wurde sie vom Klingeln des Telefons geweckt. Noch etwas benommen nahm sie das mobile Teil vom Nachttisch, schaute auf das Display und meldete sich: »Hallo, ich hoffe, du hast einen guten Grund, mich so früh aus dem Bett zu holen.«
    Dann hörte sie die leise, verschwörerische Stimme ihres alten Freundes Ferdinand aus Braunlage: »Lilly, es ist wieder passiert.«
    »Dir auch einen schönen guten Morgen, lieber Ferdinand.«
    »Hörst du nicht? Es ist wieder passiert.«
    »Was, um Himmels Willen, ist passiert?«
    »Das mit dem Bild.«
    Jetzt bekam Lilly einen Schreck.
    »Sag, dass das nicht wahr ist!«
    »Ich wünschte, das könnte ich. Aber es ist wahr.«
    »Ferdinand. Ich frühstücke noch. Und dann setze ich mich ins Auto und komme zu dir.«

Lautenthal und Braunlage:
    Lilly und Ferdinand
     

     
     
    Lilly Höschen, die berühmt-berüchtigte Oberstudienrätin außer Dienst, war in ihrer Harzer Heimat bekannt wie ein bunter Hund. Sie hatte nie ein Blatt vor den Mund genommen. Ihre Streitlust, ihre manchmal derbe Ausdrucksweise, diverse Beleidigungen und die eine oder andere Handgreiflichkeit hatten sie zu einem Unikum werden lassen, dem man im Zweifel lieber aus dem Weg ging. Mit ihrem analytischen Verstand und ihrem Gerechtigkeitssinn hatte sie schon diverse Verbrecher zur Strecke gebracht, die ihren Weg und den ihrer Freunde kreuzten. Zu ihren Marotten gehörte es, sich mit Fräulein anreden zu lassen. Sie war stolz auf ihre Unabhängigkeit. Einen Mann, dessen Anhängsel sie war, brauchte sie nicht. Für viele ihrer Mitmenschen war sie eine Streithenne, eine komische Alte, eine Giftspritze. Wenn sie hingegen einmal einen Menschen ins Herz geschlossen hatte, war sie eine Freundin fürs Leben, auf die man sich verlassen konnte. Zu diesem kleinen, erlauchten Kreis gehörte auch Ferdinand Dünnbier. Ferdinands Vater und Lillys Onkel, bei dem sie aufgewachsen war, waren einst Geschäftspartner gewesen. Bereits lange vor dem Zweiten Weltkrieg hatten sie einen Kaffeehandel mit einem ausgeklügelten Vertriebssystem in Hannover gegründet und waren dadurch zu einigem Wohlstand gekommen.
    Lilly und Ferdinand waren beide dreiundachtzig und hatten sich seit Kindertagen nie aus den Augen verloren. Lilly hatte das Anwesen ihres Onkels in Lautenthal geerbt und Ferdinand das seines Vaters in Braunlage. Lillys Haus thronte oben am Schulberg. Um nichts in der Welt mochte sie den grandiosen Ausblick auf den Ort und die umliegenden, bewaldeten Berge missen. Natürlich war das Haus für sie allein ziemlich groß. Aber das war nun mal ihr Zuhause. Und sie liebte es, Besuch zu empfangen. Lilly war klein und drahtig. Ihre mal weiße und mal blonde Lockenfrisur ließ sie jede Woche richten. Und sie mochte es auch, sich schön anzuziehen und mit einem großen Auto durch die Gegend zu fahren.
    Während Lilly Lehrerin wurde, leitete Ferdinand die Firma, die ihm sein Vater vermacht hatte. Diese beinhaltete auch die Anteile, die einst Lillys Onkel gehört hatten. Da er die Arbeit nicht gerade erfunden hatte, verkaufte er mit Ende fünfzig alles und genoss seinen Ruhestand. Zu diesem Zweck hatte er das Feriendomizil seiner Familie generalüberholen und mehrmals aufwändig restaurieren lassen. Eigentlich war es zwei Nummern zu groß für ihn, denn er war immer alleinstehend gewesen. Aber er liebte ein stilgerechtes Leben. Bei ihm musste alles vom Feinsten sein. Er konnte es sich leisten. Und außerdem war er es von Kindheit an so gewöhnt. Sein Vater war ein Patriarch gewesen, der ihm immer gezeigt hatte, dass er dessen Größe wohl nie erreichen würde. Und seine Mutter hatte stets dafür gesorgt, dass die Familie in einem ihrem Wohlstand entsprechenden Ambiente lebte. Weil er es nicht anders kannte und im Übrigen viel zu faul war, sein Leben umzugestalten, machte er im Grunde alles so weiter, wie er es von Kindheit an kannte.
    Ferdinand war ein Einzelgänger und alles andere als ein Familienmensch. Es war auch niemand da, dem er gern etwas vererbt hätte. Sollte tatsächlich etwas übrig bleiben, würde er vielleicht seinem Neffen Hans-Ulrich etwas vermachen. Aber das wusste er noch nicht. Er

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