Mörderische Harzreise (German Edition)
hielt ihn zwar für einen netten Kerl, aber seine Frau Beate war eine Katastrophe und deren Mutter eine Heimsuchung. Ausgerechnet heute hatten sich die drei zu einem Besuch angekündigt. Und zu allem Überfluss war auch noch die Sache mit dem Bild passiert.
Braunlage: Das Gemälde
Als Ferdinands Vater das Haus in den fünfziger Jahren kaufte, war es etwas heruntergekommen. Ursprünglich hatte es mal als Pension gedient, während des Zweiten Weltkrieges als Unterkunft für Stadtkinder, und danach wurden Flüchtlinge einquartiert. Dann unterzog es Ferdinands Vater einer Generalüberholung, und die Familie nutzte es als Wochenend- und Feriendomizil, in das man aufgrund seiner Größe auch Gäste einladen konnte. Die Lage am Waldrand war traumhaft. Braunlage galt bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts als einer der führenden Kurorte im Harz. Im Laufe der Zeit entstanden immer mehr Kurhäuser, Sanatorien, Ferienheime und auch einfache Unterkünfte für Naturfreunde. Schon früh entwickelte sich hier der Wintersport. Und in den anderen Jahreszeiten war es Ausgangspunkt für Wanderungen. Hier ein repräsentatives Haus zu besitzen, in dem man seine Gäste empfangen konnte, war etwas Besonderes.
Nach dem Tod der Eltern fing das Haus mangels kontinuierlicher Pflege an zu verwahrlosen. Als sich Ferdinand vor fünfundzwanzig Jahren zur Ruhe setzte, besann er sich, wie schön es dort immer gewesen war, und ließ das Haus für viel Geld auf den neuesten Stand bringen. Seitdem hatte er immer wieder investiert. Mal in ein komfortables Bad, mal in eine neue Küche. Ferdinand hatte genug von der Welt gesehen. Er erfreute sich einfach an dem Haus, an der Landschaft und der Ruhe, um zu tun, wonach ihm zumute war. Braunlage war ein beschaulicher Ort mit allerlei Annehmlichkeiten, eingebettet in die romantische Landschaft des Harzes. Nur ab und zu strömten mehr Touristen in das Städtchen, als ihm lieb war. Dann blieb er halt einfach in seinem schönen Haus, nahm ein Buch zur Hand, hörte Musik und ließ den lieben Gott einen guten Mann sein.
Allerdings hatte das Haus auch etwas Mysteriöses. Als der Vater es gekauft hatte, hing bereits dieses unglückselige Gemälde im Treppenhaus, im Format hundertzwanzig zu achtzig, gerahmt in altem, verziertem Buchenholz, dunkel gebeizt. Es stellte das Haus dar, so wie es kurz nach seiner Fertigstellung im Jahre 1905 ausgesehen hatte. Sonnenbeschienen, im Hintergrund der Wald, und davor eine Wiese mit Blumen. Auf dem Balkon stand eine Frau, ganz in weiß gekleidet, die offenbar den Ausblick genoss. Dieses Ölgemälde gehörte einfach zu diesem Haus. Niemand wäre je auf die Idee gekommen, es abzuhängen. Bis auf ein Mal. Im Jahr 1936. Nach dem zweiten Vorfall.
Begonnen hatte alles im Jahre 1924. Eines Tages entdeckte die Hausherrin, Elfriede Henning, die hier eine Pension betrieb, dass die Frau auf dem Balkon offenbar Feuer gefangen hatte. Gelb-rote Flammen hatten sich ihres weißen Kleids bemächtigt. Und aus dem Zimmer hinter dem Balkon kam dunkler Rauch. Frau Henning glaubte zunächst an einen Scherz einer der Gäste, der mit Farbe und Pinsel Hand an das Gemälde gelegt hatte. Der Schöpfer des Bildes lebte nicht mehr. Also bestellte sie einen anderen Maler, der es wieder in seinen Ursprung verwandeln sollte. Allerdings erst, wenn alle Gäste abgereist wären, damit sich diese Unverschämtheit nicht wiederholte. Dann geschah aber zwei Tage später etwas Schreckliches. Es gab einen Zimmerbrand, bei dem eine allein reisende Dame namens Siglinde Butenschön aus Hamburg ums Leben kam. Mit Müh und Not konnte verhindert werden, dass das Feuer auf das gesamte Haus übergriff. Aber es war natürlich ein Schock für Hausherrin und Gäste. Frau Henning ließ alles wieder in Stand setzen. Als zwei Wochen später der Kunstmaler kam, um seinen Auftrag an dem Gemälde auszuführen, stellte man fest, dass dies gar nicht mehr nötig war. Das Bild sah genauso aus wie vor dem Brand. Als sei nie etwas gewesen. Man rätselte noch eine Zeitlang herum, was es mit dieser mysteriösen Sache auf sich haben könnte, vergaß dann aber allmählich den Vorfall. Bis…, ja, bis dann im Jahre 1936 wiederum eine Veränderung an dem Bild festgestellt wurde.
Ein Gast aus Berlin, ein wohlsituierter, älterer Herr, sprach die Hauseigentümerin eines Tages auf dieses merkwürdige Gemälde an. Er meinte, es sei doch ziemlich makaber, dieses wunderschöne Haus im Sonnenlicht darzustellen und dann eine Frau darauf zu
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