Moerderische Sehnsucht
wäre um ein Haar mit Morris zusammengestoßen, der im selben Augenblick den Raum betrat. » Entschuldigung. Entschuldigung.« Die verdammte Pille machte sie einfach verrückt. » Was haben Sie herausgefunden? Erzählen Sie es mir im Gehen. Ich muss zu der verdammten Pressekonferenz.«
» Haben Sie eine Energiepille genommen?«
» Merkt man mir das an?«
» Oh ja. Er hat Dopamine und Lorazepam bei ihr benutzt. Diese Substanzen haben wir bei den anderen nicht entdeckt.«
» Was bewirken sie?« Sie wünschte, sie hätte Roarkes Flasche einfach mitgenommen, denn sie hatte noch immer fürchterlichen Durst. » Hat er sie damit betäubt?«
» Ich würde sagen, er hat eher das Gegenteil erhofft. Manchmal werden diese Medikamente zum Lösen von Krampfzuständen, beispielsweise bei Schizophrenen, eingesetzt.«
» Okay, sie ist also einfach in eine Starre verfallen, und er hat versucht, sie wiederzubeleben, damit die Uhr weiterlaufen kann.«
» Genau. Aber wenn sie wirklich weggetreten war, hätte er die Uhr Stunden oder sogar Tage weiterlaufen lassen können.«
» Wo bliebe da der Spaß?«, entgegnete Eve. » Dann hätte sie ja keine Reaktion gezeigt. Nicht mehr mitgewirkt.«
» Da haben Sie wahrscheinlich recht. Passt auch zu der Tatsache, dass sie weniger Verletzungen als die anderen Frauen aufgewiesen hat. Wahrscheinlich hat er aufgegeben, als er sie auch mit den Medikamenten nicht mehr wach bekommen hat.«
» Sicher kriegt man Dopamin und– wie hieß das andere Zeug noch mal?«
» Lorazepam.«
» Ja, genau. Wahrscheinlich hat er das Zeug nicht einfach im nächsten Supermarkt gekauft.«
» Ganz sicher nicht. Und ein Arzt würde es auch nicht einfach für den Hausgebrauch verschreiben. Es ist etwas, was von jemandem mit einer medizinischen Ausbildung unter kontrollierten Bedingungen verabreicht wird.«
» Vielleicht ist er ja Arzt oder etwas in der Art. Oder hat es geschafft, sich als einer auszugeben.« Darin war er schließlich gut. Er spielte jede seiner Rollen wirklich gut. » Vielleicht hat er es in einem Krankenhaus geklaut. Aber er hat es vorher nie benutzt, weshalb also hatte er es überhaupt zuhause? Nein, er hatte es ganz sicher nicht im Haus«, erklärte sie, bevor Morris etwas sagen konnte. » Und falls er es geklaut hat, dann am letzten Wochenende, und zwar hier in New York.«
» Am häufigsten wird das Zeug in psychiatrischen Kliniken eingesetzt.«
» Erzählen Sie das auch Peabody, okay? Sie soll eine Liste sämtlicher Einrichtungen in New York erstellen, in denen es diese Medikamente gibt. Sagen Sie ihr, dass sie Mira um Hilfe bitten soll, falls sie irgendwo nicht durchkommt oder eine Expertin braucht. Dem Gesetz nach müssen derartige Medikamente bestimmt sorgfältig verwahrt und Buch darüber geführt werden, wer sie wann bekommt.«
» Dem Gesetz nach, ja«, stimmte ihr Morris zu. » Nur sieht es in der Praxis manchmal anders aus.«
» Wir werden das Zeug trotzdem finden. Und wir fangen unsere Suche damit an, dass wir sämtliche Läden kontaktieren, in denen das Zeug erhältlich ist. Und falls irgendwo etwas verschwunden ist, gehen wir der Sache weiter nach.«
» Das mache am besten ich. Schließlich ist ein Arzt, der sich um Tote kümmert, trotzdem ein Arzt«, fügte er hinzu, als er sie die Stirn in Falten legen sah. » Ich glaube, ich könnte Ihnen bei der Suche also durchaus nützlich sein.«
» Sprechen Sie mit Peabody«, wiederholte Eve. » Arbeiten Sie mit ihr zusammen, wenn ich hier fertig bin, komme ich rüber, um zu sehen, ob die Suche schon etwas ergeben hat.«
Roarke saß noch immer im Besprechungsraum. Er speicherte, kopierte und druckte die Liste der Gebäude aus, doch während der letzten paar Minuten von Eves Pressekonferenz zog er neugierig seinen Handcomputer aus der Tasche, sah sich die Übertragung an und trat vor die Tür. Er holte sich eine neue Flasche Wasser und fand, sie sähe zäh und– wenn man sie so gut kannte wie er– gleichzeitig ein wenig angegriffen aus.
Sie würde sich noch krank machen, wenn sie das Schwein nicht bald erwischten, dachte er. Würde so weit gehen, bis sie zusammenbrach.
Doch es hätte keinen Sinn, ihr deshalb Vorwürfe zu machen oder sie sogar zu zwingen, eine Pause einzulegen, dazu war er selber viel zu tief in diesen Fall verwickelt. Er stellte den Empfänger aus, als die Pressekonferenz zum Ende kam, und wechselte zur Telefonfunktion.
Wenn er ein Dutzend Pizzas kommen ließ, bekäme sie zumindest etwas in den Magen, dachte er.
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