Moerderische Sehnsucht
Hirn war ihr bewusst, dass das ein Genuss für ihn gewesen war. Ihr hilfloses Kreischen, ihre wilden Schluchzer und ihr verzweifelter Kampf hatten ihn amüsiert.
Jetzt lag sie auf dem Tisch, zitterte vor Schock und hörte Stimmen, die etwas in einer Sprache sangen, die sie nicht verstand. Italienisch, überlegte sie und kämpfte darum, dass sie bei Bewusstsein blieb. Wahrscheinlich war es Italienisch.
Er hatte Musik gespielt, während er ihr Schmerzen bereitet hatte, und ihre Schreie hatten die Stimmen durchschnitten, als er mit den widerlichen, kleinen Messern durch ihr Fleisch gefahren war.
Ariel stellte sich vor, ihrerseits mit diesen Messern auf ihn einzustechen. Dabei hatte sie Gewalt bisher immer verabscheut und selbst bei dem Kurs in Selbstverteidigung, den sie mit ein paar Freundinnen besucht hatte, jämmerlich versagt. Memme, hatten sie sie genannt, erinnerte sie sich. Und sie hatten gelacht, denn dass eine von ihnen wirklich je dazu gezwungen wäre, die Schläge und Tritte, die sie versucht hatten zu lernen, jemals anzuwenden, hätten sie niemals geglaubt.
Sie war eine Bäckerin, sonst nichts. Sie kreierte gerne Torten, Plätzchen und Pasteten, bei deren Anblick die Menschen lächelten. Sie war ein guter Mensch und konnte sich nicht daran erinnern, dass sie jemals einem anderen Menschen gegenüber grob gewesen war.
Vielleicht hatte sie als junges Mädchen einmal Zoner ausprobiert, was sicher falsch gewesen war. Doch sie hatte keiner Menschenseele je etwas getan.
Aber der Gedanke, diesem Monster Schmerzen zu bereiten, betäubte ihren Schmerz. Wenn sie sich vorstellte, sich von den Fesseln zu befreien, sich eins der Messer von dem Tisch zu schnappen und es dann in seinen weichen Bauch zu rammen, war ihr nicht mehr ganz so kalt.
Sie wollte nicht auf diese grauenhafte Weise sterben. Jemand würde ihr zu Hilfe kommen, sagte sie sich ein ums andere Mal. Sie müsste einfach durchhalten, sie müsste einfach überleben, bis jemand zu ihrer Rettung kam.
Doch als er wiederkam, zog sich alles in ihr zusammen. Eine Flut von Tränen stieg in ihrem Hals und ihren Augen auf und ertränkte selbst das leise Wimmern, das auf ihren Lippen lag.
» Das war eine nette kleine Pause, nicht wahr?«, stellte er mit seiner grässlich angenehmen Stimme fest. » Aber jetzt müssen wir uns wieder an die Arbeit machen. Also, lass uns sehen. Was kommt als Nächstes dran?«
» Mr Gaines?« Sie zwang sich, nicht zu schreien und nicht zu flehen. Denn Schreie und Flehen turnten diesen Dreckskerl an.
» Ja, meine Liebe?«
» Warum haben Sie mich ausgewählt?«
» Du hast ein hübsches Gesicht, wunderbares Haar und straffe, muskulöse Glieder.« Er griff nach einer kleinen Lötlampe und sie musste ein Stöhnen unterdrücken, als er sie mit einem leisen Zischen anstellte und die Flamme auf Stecknadelkopfgröße zurückdrehte.
» Ist das alles? Ich meine, habe ich irgendwas getan?«
» Getan?«, fragte er geistesabwesend.
» Habe ich irgendwas getan, weshalb Sie böse auf mich sind?«
» Nicht das Geringste.« Er drehte sich zu ihr um und sah sie, während die Flamme zischte, mit einem freundlichen Lächeln an.
» Es ist nur, Mr Gaines, ich weiß, Sie werden mir gleich weiter wehtun. Ich kann Sie nicht daran hindern. Aber können Sie mir wenigstens sagen, warum? Ich will wenigstens verstehen, warum Sie mir wehtun.«
» Das ist wirklich interessant.« Er legte seinen Kopf ein wenig schräg und bedachte sie mit einem interessierten Blick. » Ständig fragt sie, warum. Aber sie ist dabei nie so höflich. Sie schreit diese Frage immer heraus.«
» Sie will es nur verstehen.«
» Nun, nun, nun, nun.« Er stellte die Lötlampe wieder ab und Ariel stieß einen erleichterten Seufzer aus. » Das ist mal etwas anderes. Mir gefällt die Abwechslung. Weißt du, sie war wirklich bezaubernd.«
» Ja?« Ariel befeuchtete ihre Lippen, als er einen Hocker an den Tisch zog und sich setzte, weil er dadurch während des Gesprächs auf Augenhöhe mit ihr war. Wie war es nur möglich, dass er so normal aussah, ging es ihr durch den Kopf. Wie konnte er so nett aussehen und dabei so böse sein?
» Du bist wirklich hübsch, aber sie war eine regelrechte Schönheit. Und wenn sie gesungen hat, klang das einfach wunderbar.«
» Was… was hat sie gesungen?«
» Sopran. Sie hatte eine ausnehmend reiche Stimme.«
» Ich… ich weiß nicht, was das heißt.«
» Hell und rein. Allegra – das heißt, die hohen, reinen Töne schienen einfach aus ihr
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