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Mörderische Weihnacht

Mörderische Weihnacht

Titel: Mörderische Weihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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im Übermaß gesegnet gewesen.
    »Zweifellos war er ein Mann von großer Tugend«, erklärte Jerome, »und es kommt mir keinen Augenblick in den Sinn, ihm das abzusprechen. Jeder weiß, wie ergeben er gedient hat. Nur war er zu nachsichtig mit jenen, die sich etwas zuschulden kommen ließen. Er hielt nicht viel auf Disziplin, und seine Bußen waren zu milde und wurden mit allzugroßer Nachsicht verhängt. Wer den Sünder schont, leistet der Sünde Vorschub.«
    »Solange er hier gelebt hat, herrschten in seiner Pfarrei Ordnung und Hilfsbereitschaft«, sagte Bruder Ambrose, der Almosenverwalter, der durch sein Amt ständig in Kontakt mit den Ärmsten der Armen in der Vorstadt war. »Ich weiß, wie sie über ihn reden. Sein Nachfolger wird ein leichtes Spiel haben, und er wird offen und bereitwillig empfangen werden, weil der Verschiedene ein Vorbild an Offenheit und Bereitwilligkeit war.«
    »Kinder freuen sich immer über einen schwachen Herrn, der nie die Gerte in die Hand nimmt«, gab Jerome unwirsch zurück,
    »und Schufte freuen sich über den Richter, der sie mit einem blauen Auge davonkommen läßt. Aber die Strafe, die dann später folgt, wird schrecklich sein. Besser, man tritt jeder Sünde gleich zu Anfang unnachsichtig entgegen, damit ihre Seelen später sicher sind.«
    Bruder Paul, der Aufseher der Novizen und Knaben, der seine Schüler äußerst selten züchtigte, und auch dann nur, wenn sie es wirklich verdient hatten, lächelte in sich hinein.
    »Allzugroße Nachsicht ist keine Freundlichkeit für die Seele«, verkündete Jerome, stolz auf seine Beredsamkeit und sich seines Rufes als Prediger wohl bewußt. »Sogar unsere Ordensregel schreibt vor, daß ein Kind geschlagen werden muß, wenn es sich vergeht, und diese Leute in der Vorstadt sind kaum mehr als Kinder.«
    In diesem Augenblick rief die Glocke zur Komplet, aber es war ohnehin unwahrscheinlich, daß sich jemand die Mühe gemacht hätte, Jerome zu widersprechen, denn seine lärmenden Auftritte verhallten oft ungehört. Zweifellos würde er an den beiden Tagen, die man ihm zugestanden hatte, in der Messe für die Gemeinde strenge Predigten halten, doch würden ihm nur wenige der regelmäßigen Kirchgänger wirklich zuhören, und selbst denen, die ihn anhörten, würden seine Vorhaltungen zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder herausgehen, da sie wußten, daß er sie nur wenige Tage heimsuchen würde.
     
    Dennoch ging Cadfael an diesem Abend sehr nachdenklich ins Bett. Zwar hatte er im Dormitorium noch einen geflüsterten Wortwechsel gehört, doch er befolgte die Ordensregel, daß die Worte der Komplet, mit welcher jeden Tag der Dienst für den Herrn seinen Anschluß fand, die letzten Worte sein sollten, die vor dem Schlaf gesprochen wurden, auf daß der Geist nicht mehr vom Opus Dei abgelenkt werde. Cadfael wurde nicht abgelenkt, und die Worte begleiteten ihn in das Zwielicht zwischen Schlafen und Wachen. Er hörte immer wieder die gleichen Worte, die langsam leiser wurden. Zufällig war es der sechste Psalm, der ihn in den Schlaf begleitete.
    »Domine ne in furore - Ach Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn und züchtige mich nicht in deinem Grimm! Herr, sei mir gnädig, denn ich bin schwach…«
     
    2
     
    Am zehnten Dezember kehrte Abt Radulfus zurück. Er ritt im letzten Tageslicht durchs Torhaus herein, als die Brüder schon drinnen bei der Vesper waren. So war der Pförtner der einzige, der die Ankunft des Abtes und seiner herausgeputzten Begleitung bemerkte. Erst am nächsten Tag beim Kapitel erfuhren die Brüder alles, was er zu erzählen hatte, oder zumindest alles, was die Abtei direkt anging. Der Bruder Pförtner, wenn nötig die Diskretion selbst, konnte seinen Freunden in der Enklave gegenüber durchaus der
    bestinformierte aller Schwätzer sein, und Cadfael sollte schon unmittelbar nach der Vesper in einer Nische des Kreuzganges einiges zu hören bekommen.
    »Er hat einen Priester mitgebracht, einen gutaussehenden großen Burschen - kaum älter als fünfunddreißig, würde ich meinen.
    Er ist im Gästehaus untergebracht; sie sind scharf geritten, um noch vor Einbruch der Dunkelheit hier einzutreffen.
    Kein Wort hat der Vater Abt zu mir gesagt, abgesehen von dem Befehl, Bruder Denis zu unterrichten, daß er einen Gast hat, und mich selbst um die anderen beiden zu kümmern. Mit dem Priester ist eine Frau gekommen, eine brave Seele, die schon grau wird und sich sehr bescheiden aufführt; wahrscheinlich eine Art Tante oder

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