Mörderisches Paradies
zu ihrem Bruder, der gerade ihr Zeltlager aufbaute, und einen Funkspruch an die Polizei senden, denn mit dem Handy hatte man in dieser Gegend keinen Empfang.
Als ihr eine Schlagzeile wieder einfiel, verstärkte sich ihr ungutes Gefühl und es lief ihr kalt über den Rücken.
Molly und Ted Monaco – zwei erfahrene Segler wie vom Erdboden verschluckt
.
Zuletzt waren die beiden vor Calliope Key gesehen worden, also genau hier.
“Lasst uns Ben holen”, schlug sie vor und versuchte dabei sicherer zu klingen, als sie sich fühlte.
“Es ist ein Schädel, oder?”, fragte Amber.
Sie war ein hübsches Mädchen, groß und schlank, mit haselnussbraunen Augen und langen dunklen Haaren. In ihrem Badedress – ein einigermaßen züchtiger Bikini – zog sie die Aufmerksamkeit von Jungen auf sich, die viel zu alt für sie waren, zumindest nach Beths Meinung. Kimberly war das Gegenteil von Amber: zierlich, blond und mit hellblauen Augen, aber ebenso bildschön.
Manchmal kam es ihr wie eine Belastung vor, für zwei derart hübsche Mädchen verantwortlich zu sein. Sie wusste, dass sie sich meistens zu viele Sorgen machte. Aber die Vorstellung, den Mädchen könnte etwas zustoßen …
Nun gut, sie war die Erwachsene. Verantwortlich. Und nach dieser Verantwortung musste sie jetzt auch handeln.
Allerdings waren sie mehr oder weniger allein auf der Insel, ohne Telefon, ohne Auto, ohne den geringsten Luxus. Ein beliebtes Ziel für die Segler der Gegend, aber abgelegen und verlassen.
Bis nach Miami waren es zwei bis drei Stunden mit laufendem Motor, etwas näher lag Fort Lauderdale, und bis zu den nächstgelegenen Inseln der Bahamas dauerte es nur eine knappe Stunde.
Sie atmete ein und wieder aus. Ganz langsam.
Wie schnell sich die Dinge änderten. Vor ein paar Minuten noch war sie von der Einsamkeit der abgelegenen Insel ganz begeistert gewesen. Ihr gefiel, dass es hier keine Kioske gab, keine Autos oder irgendwelche anderen Boten der Zivilisation.
Aber jetzt …
“Könnte ein Schädel sein”, gab Beth zu und zwang sich zu einem Grinsen. Sie hob die Hände. “Vielleicht auch nicht”, log sie dann. “Deinem Vater wird das nicht gefallen, Amber, wo er diesen Urlaub so lange geplant hat, aber …”
Plötzlich verstummte sie. Obwohl sie weder Schritte noch Blätter rascheln gehört hatte, tauchte auf einmal ein Mann vor ihnen auf.
Er kam aus einem schmalen Pfad, den die typischen Büsche und Palmen der Insel völlig überwucherten.
Gerade diese unberührte Natur machte für viele Segler die Attraktion der Insel aus. Man war fernab von der Welt.
Warum nur alarmierte sie dieser Mann so?
Beth rief sich zur Vernunft und beschloss, dass er genau im richtigen Moment kam. Er hatte ausgeblichenes Haar und war tief gebräunt. Nein, nicht nur gebräunt, sondern geradezu verbrannt. Seine Haut hatte diese tief eingefärbte Farbe, die Segler so oft bekamen. Gut gebaut, aber nicht übermäßig muskulös, trug er ausgewaschene abgeschnittene Jeans und Mokassins ohne Socken. Da seine Füße genauso braun wie der Rest seines Körpers waren, musste er viel Zeit barfuß verbracht haben.
Wie einer dieser Typen, die auf einem Boot von Insel zu Insel fuhren. Einer, der sich auskannte. Der an Orten campte, wo es keinerlei Annehmlichkeiten gab.
Und er trug eine Sonnenbrille.
Warum auch nicht, sagte sie sich. Sie trug eine Sonnenbrille und die Mädchen auch. Warum also kam ihr das verdächtig vor, als hätte er etwas zu verbergen?
Diese komischen Gedanken hatte sie nur, weil sie gerade einen Schädel gefunden hatten. Da war ein wenig Panik ganz normal. So arbeitete die menschliche Psyche nun einmal. Wenn sie unter anderen Umständen auf der Insel jemandem begegnet wäre, hätte sie sich nichts weiter dabei gedacht.
Aber sie hatte vor einer Minute einen Totenschädel entdeckt und sich an das nie aufgeklärte Schicksal von Ted und Molly Monoco erinnert, die auch hier gewesen waren und dann plötzlich verschwunden waren …
Dem Sonnenuntergang entgegensegelten?
Ein Freund hatte die beiden als vermisst gemeldet, nachdem sie ihn nicht wie sonst immer angefunkt hatten.
Und jetzt hatten sie den Schädel genau da gefunden, wo die beiden zuletzt gesehen worden waren.
Deshalb war sie alarmiert und schaute den Mann einfach nur an.
Mit ihren vierzehn Jahren verspürte Amber in einer solchen Situation kein Gefühl von Gefahr. Ihr Vater war einer dieser Segler, daher kannte sie diese Leute und war ihnen gegenüber aufgeschlossen. Sie war nicht
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